Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Mutter-und-Kind-Haushalt hämmernd, dübelnd, schraubend und bohrend das Allernötigste in Ordnung zu bringen? Dass seine Tochter immer behauptet, sie könne das alles auch sehr gut allein, bucht er unter verschobener weiblicher Wahrnehmung ab. Natürlich kann sie das nicht. Und deshalb wird er es auch wieder sein, der sich übermorgen hinter das Steuer seines Audis setzt, das Enkelkind und dessen männer- und werkzeuglose Mutter nach Hause fährt und bei der Gelegenheit gleich noch den neuen DVD-Player anschließt. Nicht, dass er nicht gerne hilft, wo er noch helfen kann. Aber bei aller Bescheidenheit – er ist ja nun auch nicht mehr der Jüngste. Zu gerne würde er seine angenommenen Aufgaben in der Wohnung der allein stehenden Tochter irgendwann wieder einem handwerklich Ebenbürtigen, sprich: einem Mann übergeben. Aber ob diese doch reichlich spröde Tochter mit ihren emanzipatorischen Ansichten überhaupt jemals wieder einen finden wird, der samt gut sortierter Werkbank bei ihr einzieht? Tief im Inneren seiner männlichen Seele hegt Opi da mittlerweile einige berechtigte Zweifel. Was hat er bloß falsch gemacht bei der Erziehung?
Eine Woche später hat Opi den DVD-Player trotz heftiger töchterlicher Gegenwehr und anhaltender »Das hätte ich auch alleine gekonnt«-Rufe natürlich längst mit dem Fernseher verkabelt, nebenbei einen fachmännischen Blick auf Tür- und Fensterschlösser, Kindersicherungen in Steckdosen und Küchenschränken geworfen, mit entschlossenen Handgriffen die ausgeleierten Schrauben des wackeligen Klositzes enger gezogen und im Rausgehen noch schnell nach den Bremsbelägen des Fahrrads geschaut. Unterdessen findet sich die Frau und Mutter ohne männlichen Anhang bei einer gepflegten Einladung zum Abendessen erneut unter Menschen wieder, die mittlerweile alle zu Omi-und-Opi-ähnlichen Kombinationen mutiert sind.
»Komm rein, Anja-und-Thilo, Jan-und-Sabine, Inga-und-Stefan, Martin-und-Mareile sind auch schon da.«
Und als wäre es nicht schon Strafe genug, in einer Runde von lauter Und-Menschen zu sitzen und am eigenen Vornamen nur den eines Kindes baumeln zu haben, können es ihre Freundinnen wie immer kaum abwarten, mit ihrem berüchtigten Single-Verhör zu beginnen: »Naaaa, gibt’s was Neues bei dir?«
Wieder mit dem DVD-Player anzufangen, war sinnlos, auch wenn man damit zumindest die männlichen Pärchenhälften kurzzeitig in eine Diskussion um Qualitätsunterschiede bei technischen Geräten im Allgemeinen und im Besonderen hätte verstricken können. Geschlechtsgenossinnen dagegen sind mit derart durchsichtigen Ablenkungsmanövern nicht zu täuschen. Also lieber gleich Pokerface aufsetzen und die Karten auf den Tisch legen: »Nein, es gibt nichts Neues.«
Aber damit können sich die Anwesenden natürlich nicht zufrieden geben. Es muss doch verdammt noch mal Mittel und Methoden geben, an Informationen über das deprimierende Gefühlschaos der allein stehenden Freundin zu kommen: »Aber hast du nicht letztens von diesem alten Schulfreund erzählt, der dich nach zehn Jahren auf einmal angerufen …«
»Nein.«
»Doch, doch, ich meine den, der so rumgedruckst hat …«
»Nein.«
»… als du ihn dann getroffen hast und er den Kindersitz auf deinem Fahrrad …«
»Nein.«
»Und auf der Party neulich, hast du da nicht ganz lange mit so einem an der Theke …«
»Nein.«
»Ach, komm, gib es doch zu, ihr habt doch geflirtet. Hast du ihm gesagt, dass du ein Kind …«
»Nein.«
»Oder ihm wenigstens deine Nummer …«
»Nein! … Hab ich übrigens schon erzählt, dass ich mir einen neuen DVD-Player gekauft habe?«
Während die Männer, die den Anfang des Dialogs zum Glück verpasst und erst beim Stichwort »DVD-Player« wieder aufgehorcht haben, gleich eilfertig nach Preis und Marke fragen, murmeln die anwesenden Frauen noch ein paar aufmunternde Sätze wie »Ich versteh das gar nicht, du bist doch so eine tolle Frau«, »Ach, dann vergiss den Idioten am besten gleich wieder«, »Da kommt bestimmt wieder ein anderer«.
Sie meinen es ja nur gut. Sie wünschen ihrer einsamen Freundin doch nur das Allerbeste. Und von der Anhäufung von Elektrospielzeug und anderen Statussymbolen lassen sie sich nicht täuschen. Gut, vielleicht hat die Freundin eine Digitalkamera, ein paar schöne Schuhe und ein paar männliche Bekannte. Gut, das Kind wirkt auf den ersten Blick auch nicht dicker, dümmer und verstörter als die Kinder anderer Leute. Gut, nach außen hin macht diese
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