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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Herbold
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kinderfreies Wochenende dabei raus. Und das ist mit diversen durchgejammerten Sonntagen doch wirklich nicht zu teuer erkauft.
    Ach, allein. Sie traut sich ja kaum, es öffentlich zu sagen, aber sie wäre so gerne mal wieder ein paar Stunden allein. Ganz allein sein. Lesen. Musik hören – und zwar nicht Rolf Zukowski. Früher, als das Kind auch noch am Wochenende ein Mittagsschläfchen machte, gab es zumindest einmal am Tag die Möglichkeit einer spontanen Tiefenentspannung. Bei der spontanen Tiefenentspannung geht es darum, kürzeste Zeitsequenzen zur effektiven ganzheitlichen Gesamtkörpererholung zu nutzen. Das geht ungefähr so: Kind im Bett. Schnell, schnell eine Tasse türkischen Kaffee aufgebrüht, ein Stück Schokolade aus dem Geheimversteck geholt, Zeitung her, Füße hoch. Bis hierher bitte alles zack, zack. Einmal hingesetzt, gilt es dann, das Feuilleton so gelassen zu durchstöbern, als hätte man heute nichts anderes mehr vor. Und tatsächlich, wenn das Kind nach 32 Minuten wieder topfit und ausgeschlafen in der Tür steht – »Und was machen wir jetzt?« –, fühlt man sich so erholt wie nach einem dreiwöchigen Wellness-Urlaub im Kempinski in Heiligendamm.
    Aber die schöne Zeit der Mittagsschläfchen ist unwiederbringlich vorbei. Und alle potenziellen Übernachtungsgäste haben für heute leider auch abgesagt. Wohl oder übel muss das Wochenende also diesmal ganz allein zu zweit durchgestanden werden. Das geht durchaus. Der Trick dabei ist: Es muss permanent laute Beschäftigung simuliert werden. Denn eigentlich ist es in einer Ein-Kind-Familie meistens ziemlich ruhig. Aus Sicht des Kindes: viel zu ruhig. Vor allem, seit auch noch der männliche Erwachsene dauerhaft weggefallen ist. Und man ahnt ja gar nicht, wie sehr sich ein Kind und eine Mutter anöden können. Was nichts damit zu tun hat, dass sie sich nicht aus vollem Herzen lieben. Das tun sie wirklich. Aber Liebe allein füllt noch keine Vormittage. Als kluge Mutter weiß man das noch aus dem ersten Lebensjahr des Kindes.
    Wie war das langweilig damals. Am liebsten hätte sie jedes Feuchttuch und jede Windel einzeln eingekauft, nur damit der Tag irgendwie mit wichtigen Aufgaben angefüllt war. Stattdessen: Rassel anreichen im 4-Sekunden-Takt und verzweifelte Versuche, in PEKiP-Gruppen neue Freunde fürs Leben zu finden. Leider wurde sie dort nach der dritten Sitzung gemieden, weil sie nicht mehr voll stillte. Als dann auch noch das eigene ungestillte Kind einem von den dümmeren gestillten Babys mit gezieltem Griff den Schnuller aus dem Mund zog, in den eigenen steckte und sich sofort tückisch zur anderen Seite drehte, hat sie sich gar nicht mehr hingetraut. Stattdessen hieß es wochenlang nur: Mama allein zu Hause. Nicht mal Zeugen Jehovas oder Putzmittelvertreter, die sie fantasievoll hätte in die Flucht schlagen können, verirrten sich damals ins heimische Jammertal.
    Mit acht Monaten dann die entscheidende Wendung: Das Kind kann endlich sitzen. Ab auf den Spielplatz, in die Buddelkiste! Und endlich wieder unter Menschen! Auch wenn die einen mit Sand bewerfen oder mit ihren Eheproblemen belästigen.
    Mutti für ihren Teil ist also schon durch die harte Schule der monatelangen Beschäftigungslosigkeit gegangen. Und hat gelernt. Zum Beispiel, dass es nützliche Hausmittelchen gibt, dem Überfluss an Freizeit wirksam zu begegnen. Vor allem gilt es, um jeden Handgriff möglichst viel Aufhebens zu machen und immer und überall Zeit zu schinden. Aufstehen, trödel, trödel, anziehen, trödel, trödel, Tisch decken, trödel, trödel, frühstücken, trödel, trödel, Tisch wieder abräumen. Trotzdem ist man noch vor neun Uhr mit all diesen Verrichtungen fertig. Was nun? Man könnte versuchen, irgendwie lustige Dinge zu tun. Andere Menschen toben doch auch stundenlang ausgelassen mit ihrem Nachwuchs herum. Jedenfalls sieht man das immer im Fernsehen. Macht doch Spaß. Und man kann auch mal so richtig sein kindlich gebliebenes Gemüt ausagieren.
    Hoch motiviert und mit der festen Absicht, die kommenden zwei Tage in ein unvergessliches Spielparadies zu verwandeln, an das sich das Kind bis ins hohe Alter gerne zurückerinnern wird, kriecht sie also über den Teppich im Kinderzimmer, wickelt unter den strengen Augen der Tochter deren fünf Puppen, zieht sie aus, an, um und spielt dann mit ihnen Kindergarten, wobei sie abwechselnd als Mutter, Kindergärtnerin oder Kinderschar fungiert. Von dem Spiel haben die echte Mutter und das echte Kind nach

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