Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
jeden Abend in ihr Kissen. Tut immer so unabhängig, aber in einer Beziehung ist sie dann wahrscheinlich schrecklich fordernd. Und dabei total auf das Kind fixiert. Solche Launen kann man einem Mann natürlich auf Dauer nicht zumuten. Und dann noch ihre Ansichten, immer so frauenmäßig verbissen, darauf stehen Männer nun mal nicht. Das weiß man doch.
Allein also. Und als wäre das nicht schon Makel genug, dann auch noch »erziehend«. O Gott, da ist ein Kind im Spiel! Eine trennungsgeschädigte Scheidungswaise. Ein im Beziehungsdrama auf der Strecke gebliebenes unschuldiges kleines Wesen. Das erzogen werden muss. Wie diese Erziehung aussieht, das kann man sich ja vorstellen. Wahrscheinlich beißt das Kind im Kindergarten grundlos seinem Nebenmann in die Nase, kriegt im Spielzeugladen einen Schreikrampf, wenn es nicht unverzüglich das neueste Computerspiel bekommt und schläft trotz fortgeschrittenen Alters immer noch jede Nacht in Mamas Bett. Von dieser labilen Person ist ja auch wenig erzieherische Orientierung zu erwarten. Dabei brauchen Kinder Ruhe, Ordnung, klare Verhältnisse. Und Grenzen! Grenzen! Grenzen! – das weiß doch jeder.
»Allein erziehend« – insgeheim beglückwünschen sich die Freundinnen täglich, dass sie diesem Verliererinnenverein nicht angehören. Was sie heute noch nicht wissen: In zehn Jahren wird keine von ihnen mehr nicht allein erziehend sein. Auch daher rührt übrigens das übermütige Grinsen der Alleinerziehenden – sie hat das alles schon hinter sich. Während es Anja-und-Thilo, Jan-und-Sabine, Inga-und-Stefan, Martin-und-Mareile noch vor sich haben. Anja-und-Thilo ihren erbitterten Rosenkrieg um Sorgerecht und Eigentumswohnung, Jan-und-Sabine und Inga-und-Stefan ihre schmutzige Doppeltrennung wegen des außerehelichen Kindes, das Sabine aus Versehen mit Stefan gezeugt hat, Martin-und-Mareile ihren mühsam ausgehandelten Dreieinhalb-Tage-Rhythmus der zwischen ihnen aufgeteilten Kinder.
Aber noch ist es nicht so weit, noch wiegen sich die Beziehungsführerinnen in der trügerischen Sicherheit ihres ewigen Liebesglücks. Noch können sie sich deshalb gegenüber der armen Alleinerziehenden nachsichtig und großherzig zeigen. Was sich vor allem darin äußert, dass sie der offensichtlich verkorksten Geschlechtsgenossin unbedingt den Weg ins Glück zu zweit weisen wollen. Das Gespräch um digitale Abspielgeräte und die dazugehörige Brennersoftware ebbt gerade ab, als die Freundinnen einen entsprechenden Vorstoß wagen: »Mit wem«, kicher, kicher, »könnten wir dich denn mal verkuppeln?«
»Ich will gar nicht …«
»Anja, hast du nicht so einen süßen kleinen Bruder? Ist der noch Single? Nein? Schade.«
»Nee, Leute, wirklich nicht …«
»Mein Nachbar Bernd, den müsste ich dir mal vorstellen, der ist echt nett. So groß ungefähr, blond. Ganz knackig. Ich glaub, Elektrotechnik hat der studiert.«
»Lass mal gut sein.«
»Doch, doch, das fädele ich mal ein. Du kannst doch einfach mal zum Kaffee kommen und dann klingel ich bei ihm, und sag, wir hätten noch Kuchen.«
»Nein, danke. Ich bin eigentlich gerade ganz …«
Es war zwecklos. Aber Omi wäre sicher entzückt. Ein solventer, kurzhaariger Elektrotechniker. Und Opi würde ihn sofort instruieren, statt der grässlichen Glühbirnen bei ihr endlich mal richtige Lampen aufzuhängen – »Wie sieht denn das aus? Bernd, du bist doch auch meiner Meinung, hier könnte man mal eine schöne Esszimmerlampe anbringen.«
Alleine mit ihrem Kind ging die vermeintliche Beziehungsversagerin, die – das wurde beim Abschiednehmen noch mal überdeutlich – natürlich auch eine Erziehungsversagerin war (»Zieh die Jacke an!« – »Nein, du kannst nicht ohne Mütze gehen!« – »Bitte, zieh die Jacke an!« – »Es ist Winter!« – »Ich sag es jetzt zum letzten Mal, zieh deine Jacke an!« – »Bitte, zieh die Jacke an …«), an diesem Abend nach Hause. Und als das Kind endlich in seinem Bett lag, setzte sie ihr Testament auf. Es begann mit den Worten: Wer auch immer das Kind erbt, und ich hoffe inständig, niemand wird es jemals von mir erben müssen, der sorge bitte dafür, dass es im Winter eine Jacke anzieht und es auch sonst warm hat. Dann schaltete sie ihren neuen DVD-Player ein und drückte bis tief in die Nacht glücklich an seinen vielen Knöpfen herum.
Hinein ins Weekend-Feeling
M ama, was machen wir heute?«
Es ist Samstag früh. Sehr früh. Noch befindet sich die Angesprochene in einem angenehmen
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