Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
beizeiten daran gewöhnen. Mama fragt sich, wann genau sie dieses pädagogische Zeitfenster verpasst hat. Vielleicht kann sie es ja jetzt nachholen.
»Ich habe eine gute Idee: Geh doch mal eine Weile in dein Zimmer und spiel was.«
Das Kind schaut seine Mutter sehr verständnislos an. Die Mutter schaut ermunternd zurück.
»Du könntest mir doch mal ein Bild malen. So ein ganz großes. Mit uns beiden drauf. Und einer großen Sonne. Und Sternen. Und einem Mond.«
Das Kind rührt sich nicht von der mütterlichen Bettkante. Die Mutter ergibt sich. Na ja, den Versuch war es wert.
Stattdessen also Schwimmbad. Das ist das übliche Sonntagsprogramm und sowieso immer Mamas letzter Trumpf im Ärmel. Der Vorteil: Man kann dort gleich vor Ort noch eine Pommes essen, womit das Mittagessen dann auch schon abgefrühstückt ist.
Nach 3,2 Stunden im Babybecken sehen Mutter und Tochter zwar aus wie schrumpelige Wasserleichen, aber das gegenseitige Anspritzen macht immer noch Spaß. Da entdeckt die Mama in der Menge ein vertrautes Gesicht aus der Ex-Kindergartengruppe.
»Guck mal, der Max ist auch hier.«
Wenn sie es jetzt geschickt anstellt, springt vielleicht doch noch eine ruhige Viertelstunde für sie raus.
»Geh mal rüber und frag ihn, ob er mit dir spielen will.«
Man soll das Kind doch ermutigen, soziale Kontakte zu pflegen, oder nicht? Nur keine falsche Menschenscheu. Und tatsächlich, Max freut sich über die unerwartete Begegnung. Vor allem, weil sie der Tochter eine Süßigkeit im Handyformat zur Bestechung mitgegeben hat. Aber das Beste erspäht Mama erst jetzt: Max ist heute mit seinem Papa da, und der wiederum ist ganz offensichtlich ein Wochenendvater. Großartig! Wochenendväter erkennt man übrigens an einer gewissen verbissenen Spiel- und Spaßbereitschaft. An den jauchzenden »Los, wir tauchen um die Wette«-Ausrufen. Oder: »Hier, fang, wenn du kannst!« Oder: »Wer zuerst umgezogen ist, hat gewonnen!« Dabei haben sie immer diesen schwungvollen Tonfall drauf. Mit vielen imaginären Ausrufungszeichen. Und folgendem Subtext: Bin ich nicht ein engagierter Vater, Ausrufezeichen. Guckt mal, wie ausgelassen ich mit meinen Kindern tobe, Ausrufezeichen. Wie eng und vertrauensvoll unser Verhältnis ist, Ausrufezeichen. Und wie gut ich mich in meiner Freizeit um sie kümmere, Ausrufezeichen. Damit mache ich ja wohl meine Abwesenheit unter der Woche dreimal wett, Ausrufezeichen.
Ja, ja, nur weiter so, Ausrufezeichen. Und tatsächlich, Max’ Vater projiziert seine Planschbegeisterung sofort vom eigenen Söhnchen auf das fremde Mädchen, spendiert auch der gleich noch ein Würstchen und ein Eis und rutscht sich danach mit den beiden 48 Minuten lang hingebungsvoll die Seele aus dem Leib. Ohne einen Funken schlechten Gewissens genießt die Vollzeitmutti in der Zwischenzeit ihre Zeitungslektüre, natürlich nicht ohne sich hinterher brav beim Wochenendpapa für die Bespaßung zu bedanken.
»Ach, das hat doch gar keine Mühe gemacht! Im Gegenteil! Das war total lustig zu dritt! Stimmt’s, Max? War lustig, oder?«
Ja, war lustig. Und weil jetzt auch noch der Bus leider, leider gerade weg ist, landet Mama gleich den nächsten Coup. Indem sie nämlich sehr undemokratisch beschließt, dass die Kleinfamilie den 4,5 Kilometer langen Heimweg zu Fuß zurücklegen wird. Bei, trödel, trödel, durchschnittlich 2,3 km/h kindgerechter Geschwindigkeit macht das knappe zwei Stunden. Und schon ist der halbe Nachmittag auch rum. Der Rest vergeht dann zu Hause erstaunlich schnell mit Mensch-ärgere-dich-nicht- und Arztspielen, wobei die Mutter zum Glück bei Ersterem immer verliert und bei Zweiterem immer die Kranke sein darf und wegen komplizierter Arm-, Bein- und Bauchoperationen und langwieriger Nachbehandlungen an Ober-, Mittel- und Unterkörper auf der Couch liegen muss.
Im Kinderbett zufrieden aneinander geschmiegt, lassen die beiden Familienmitglieder den Tag gegen 19:47 Uhr Revue passieren und pünktlich zu den Nachrichten ausklingen. Wenn jetzt heute Abend noch ein Tatort kommt und wenn es nicht der aus Leipzig ist, dann war das doch alles in allem ein ganz passables Wochenende. Wie schön, dass in 132 Stunden schon wieder das nächste beginnt.
Unbefleckte Empfängnisverhütung
W eil es so schön und innig ist so allein mit dem einen Kind – so innig, dass das Kind regelmäßig neben der Kloschüssel Spalier steht, während die Mutter den Tampon zu wechseln versucht –, hätte man eigentlich gerne noch ein zweites.
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