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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Herbold
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eintreffenden Aufträgen. Und meldet sich dann nie wieder bei ihr.
    Immerhin ist sie dadurch schon wieder um eine wertvolle Erfahrung reicher. Und zwar um die, dass es in ihrer speziellen Situation ratsamer ist, von legaler Beschäftigung vorerst gänzlich Abstand zu nehmen und es stattdessen mit der Integration neuer Gelder in die Haushaltskasse bei gleich bleibend niedrigen Ausgaben – auf gut Deutsch: es mit Schwarzarbeit – zu versuchen. Anfänglich verlegt sie sich auf wissenschaftliches Arbeiten. Sie verfasst dauerbekifften Chefarztsöhnchen, die es nur mit Nachhilfe mühsam durchs Abitur geschafft haben, die Soziologie-Hausarbeiten. Schreiben kann sie einigermaßen, das steht fest, sie hat sogar schon mal eine Kinderbuch-Heptalogie über eine kleine Hexe mit Nickelbrille und einem Besen namens Kartoffelbrei angefangen. Leider muss sich irgendeine ihrer Freundinnen da im Urlaub verplappert haben, jedenfalls wurde ihr die Idee auf mysteriöse Weise von ausländischen Literaturagenten mit spitzen Hüten und bodenlangen dunklen Umhängen geklaut und das große Geld damit machte eine andere Alleinerziehende. Nicht viel ehrenhafter verhalten sich jetzt leider auch ihre studentischen Auftraggeber. Begeistert von dem überbordenden akademischen Talent der schreibwütigen Ghostwriterin machen sie sich umgehend für drei Monate zum Surfen nach Portugal auf und vergessen, zu Hause ihre offenen Rechnungen zu begleichen.
    Partiell erfolgreicher verläuft ihr Versuch, sich auf e-Commerce zu verlegen. Sie bedruckt schwarze Baby-T-Shirts mit dem Slogan »Direkt vom Erzeuger« und verkauft sie bei Ebay. Das Geschäft läuft mäßig, Abnehmerinnen sind vor allem junge Mütter aus dem Prenzlauer Berg. Später sattelt sie um auf gelbe Shirts mit dem Slogan »Unser kleiner Sonnenschein«, in die sie gefälschte Markenetiketten einnäht. Die Preise ziehen merklich an, die Pakete gehen jetzt eher ins Baden-Württembergische. Als der T-Shirt-Markt gesättigt ist, vertickt sie die Angel-, Tauch- und Segelausrüstung, die der Kindsvater mit in die Ehe gebracht und noch nicht wieder mitgenommen hat. Wenn er jemals danach fragt, wird sie sagen, im Keller sei eingebrochen worden. Apropos eingebrochen: Beim Nachbarn im Keller hat sie noch einen fast neuen Gartenschlauch, ein Vier-Mann-Zelt, drei Schlafsäcke und eine Kiste Weihnachtsschmuck gefunden. Sie mutmaßt, dass den Krempel niemand mehr braucht, und stellt alles in ihren Power-Seller-Top-Shop ein.
    Als nach sechs Monaten alle Keller des Wohnblocks ausgeräumt und alle Fahrradschlösser durchgeknipst sind und die Familienkasse erneut ins Minus zu kippen droht, ist sie bereits über einen russischen Mittelsmann, den sie auf der Suche nach Werkzeug im Netz kennen gelernt hat, mit einer Schlosserei in Kasachstan in Verbindung getreten, um dort das Nachprägen von Zwei-Euro-Münzen anzuregen. Man hatte ihr zu Münzfälschungen geraten, nachdem einige Druckerwerkstätten mit ihren falschen Fünfzigern aufgeflogen waren. Die Verhandlungen sind in vollem Gange, als sie von einem Cousin eines Neffen des Bekannten eines Freundes ihres russischen Partners ein noch vielversprechenderes Angebot bekommt. Es gäbe da ein neues hochwirksames Medikament von den Machern der Anti-Alkohol-Pille, das gleichzeitig gegen Hautalterung, Haarausfall, Fettleibigkeit, Orangenhaut und Mundgeruch helfe. Der russische Geheimdienst habe die Super-Pille im Auftrag des Kreml höchstselbst entwickeln lassen. Die Absatzmöglichkeiten seien nahezu unbegrenzt und alle am Gewinn Beteiligten wären in kürzester Zeit Multimillionäre. Zum endgültigen Durchbruch fehlten jetzt nur noch ein bisschen Startkapital, ein paar gute Patentanwälte sowie konspirative Kontakte zu europäischen und amerikanischen Pharmafirmen, die das Mittelchen in großen Mengen produzieren könnten.
    Ich bin doch nicht blöd, denkt unsere arme Mutter, und winkt dankend ab.
    Stattdessen kauft sie in der Metro einen 5-Kilo-Sack grünen Tee, füllt ihn in kleine Stoffbeutel à 50 g um und schreibt dazu eine vierseitige Gebrauchsanweisung. Sie mietet auf einer grünen Wiese in Holland einen Briefkasten, richtet dem Metro-Tee, der jetzt »GlüXXs-Tee« heißt, eine eigene Website ein, schaltet halbseitige Anzeigen in Gesundheitszeitschriften und anderen Oma-Blättchen und überzieht das Land mit einer appellativ-eindringlichen Wurfsendung: »Stress und Umweltgifte setzen uns jeden Tag zu. Riskieren Sie nicht weiter leichtfertig Ihre Gesundheit.

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