Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
das ist total unsexy. Oder anders gesagt: Mit der Liebe ist es wie mit den Beschäftigungsverhältnissen – zu viele Lücken im Lebenslauf machen einen schlechten Eindruck. Und spätestens nach ein paar Jahren Auszeit gilt man als absolut unvermittelbar.
Aber was hieße das jetzt? Dass sie sofort wieder Sex haben müsste – nur aus Gründen der Statistikschönung? Und ab welcher Mindestquote wäre ein Alleinerziehenden-Liebesleben wieder unverdächtig? Drei Liebhaber im Jahr? Zwei? Vier? Und gilt es auch, wenn man die drei im Türkeiurlaub innerhalb einer Woche flachlegt, während das Kind mit Opa und Oma im Schwarzwald auf einem Biobauernhof ist? Oder müssen es vierteljährliche inländische Neueroberungen sein? Wahrscheinlich. Andererseits würde bei so viel Fluktuation der Bekanntenkreis schon wieder nachdenklich den Kopf schütteln und sich um das Wohl des Kindes sorgen.
Ach, wenn es nur wieder so leicht wäre wie früher. Früher gehörten regelmäßige Eroberungen zum guten Ton und über gelegentliche Fehltritte und -griffe sah man im Freundeskreis großzügig hinweg. Früher war auch nie Mangel an Auswahl, weil – da war sie sowieso immer gerade schrecklich in irgendwen verknallt. Und deshalb waren auch alle Mittel erlaubt, um ans Ziel zu kommen. Jedenfalls gab sie damals gern mal das rehäugige Unschuldslamm, dessen Blicke Bände sprachen.«
Ja, das waren die guten alten Zeiten des abenteuerlichen gegenseitigen Flachlegens. Wochenlang wurde sich da vieldeutig umschlichen und umkreist. Meistens versuchte sie, das Objekt ihrer Begierde durch unauffällig gesetzte optische Akzente auf sich aufmerksam zu machen. Um ihm dann, wenn bei ihm der Groschen sanft im Fallen war, kunstvoll indirekt zu verstehen zu geben, dass sie eine Kino-Einladung seinerseits eventuell nicht auszuschlagen gedenke. Im dortigen Dunkeln wurde er dann scharf gemacht mit als Zufall getarnten Knie-an-Knie-Berührungen, die er seinerseits mit sanften Ellbogenberührungen erwiderte. So viel zum körpersprachlichen Auftakt des Abends. Ans Kino schloss sich dann meist ein ausgiebiges Weintrinken an, bei dem sich derart vertiefende Gespräche entwickelten, dass sie – »ups!« – aus Versehen vergaß, daran zu denken, dass um 0:53 Uhr der letzte Bus gefahren wäre. Und dann ist tatsächlich – »wie kann denn das sein?« – nicht mal ein Taxistand in Sichtweite. Wenn er dann endlich! endlich! endlich! gegen 3 Uhr früh kapierte, wo dieser Abend möglicherweise enden könnte, und zögerlich seinen Arm um sie legte und ihr den ersten Kuss in die Halsbeuge hauchte, dann erschauderte sie vor ehrlicher, wohlverdienter Wonne und konnte sich tatsächlich kein metaphysisch bedeutenderes Großereignis vorstellen, als mit diesem Mann in den nächsten Stunden SEX zu haben.
Reizerhöhend wirkten sich dabei sicher auch die zehn Gläser Weißweinschorle aus, die sie den Abend über stilvoll in sich reingeschüttet hatte. Und jetzt, wo sie – latent torkelnd – dem Typen endlich im Arm hing und gen heimische Wohnung taumelte, da rückten multiple Orgasmen in greifbare Nähe. Der Heimweg war das Vorspiel. Jede rote Fußgängerampel musste als Vorwand für eine langwierige und nichtjugendfreie Kussszene herhalten. Im Hausflur begann das gegenseitige Ausziehen, und nur Sekundenbruchteile später wurden ohne Rücksicht auf Nachbarn und Mitbewohner geräuschvoll die schmachtenden Lenden aneinander gerieben, als gäbe es kein Morgen.
Apropos: Meistens gab es ja auch keinen Morgen. Jedenfalls keinen, der mit dem Abend auch nur annährend hätte mithalten können. Denn selbst wenn das Objekt der Begierde sich am nächsten Tag noch zu einem langen Abschiedskuss hinreißen ließ (was selten vorkam), selbst wenn es am folgenden Tag anrief und um einen erneuten Kinobesuch bat (passierte noch seltener), selbst wenn man sich nach ein paar Wochen dann tatsächlich auf so etwas wie eine »feste Beziehung« geeinigt hatte (nahezu unwahrscheinlicher Tatbestand) – spätestens nach 9 ½ Wochen war der Bettgefährte irgendwie nicht mehr ganz so sexy wie während dieser ersten Nacht. Mit der Begierde ist es nämlich wie mit dem Spatz in der Hand. Man will meistens eben doch lieber die Taube auf dem Dach. Denn wenn man seinen Spatzi jeden Tag zu Hause auf der Couch sitzen hat, ist das zwar irgendwie nett und kuschelig, aber mit hirnlos-hemmungslosem »Nimm mich oder ich verliere den Verstand« hat es nicht mehr viel zu tun. Ab sofort wurde zwar regelmäßig verkehrt,
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