Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Handeln Sie jetzt. Machen Sie sich das jahrtausendealte Wissen der Chinesen um die Kräfte der Natur zunutze. Bringen Sie Ihren Körper und Ihre Seele ins Gleichgewicht.«
Sie dekoriert die Anzeigen mit allerlei selbst ausgedachten Schriftzeichen und einem Bild des japanischen Außenministers und unterschreibt als »Ergebenst, Ihr Prof. Dr. Dr. Dr. Chin Chan Chon«. Mit der Masche zieht sie bundesweit 63 598 gutgläubigen Rentnern die letzten Cents aus der Tasche.
Zu guter Letzt löst sie dann auch noch das leidige Autoproblem: Sie drückt beim nächsten sonntäglichen Elternbesuch nach dem Nachtisch verschämt ein paar Tränen in ihre Serviette, gerade so, dass es ihrer Mutter nicht entgehen kann.
»Kind, was hast du denn? Ist alles in Ordnung?«
»Ja, doch, geht schon, ich bin nur so erschöpft, die Trennung, die Kinder, die Arbeit, der ganze Stress …«
»Ja, dann sag doch was! Sollen wir dir helfen? Brauchst du Geld?«
Fünf Minuten später ist auch die Finanzierung von Kfz-Steuer und Versicherung für den Fiat Punto zufriedenstellend geregelt.
Bewerbung No. 112
Sehr geehrter Herr Professor Nauenfels-Spörich,
ich möchte mich hiermit an der hiesigen Universitätsklinik als Probandin für ambulante Studien aller Art bewerben.
Ich bin weiblich, ledig, jung und gesund, habe keine bekannten genetischen Defekte und auch keinerlei Lebensmittel-, Tier- oder Pollenallergien. Ich war noch nie mit einer tropischen Krankheit infiziert und deshalb in Quarantäne. Auch wurde ich noch nie wegen einer psychischen Erkrankung stationär behandelt.
Mein primäres Interesse gilt Studien, die mit einer üppigen finanziellen Aufwandsentschädigung verbunden sind. Wahlweise würde ich gegen Entgelt natürlich auch Blut, Plasma, überschüssige Eizellen oder mehrfach vorhandene Organe spenden.
In der Hoffnung, dass Sie Verwendung für mich haben, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Astrid Herbold
Muschi-Ich
S ex ist toll. Großartig. Wahnsinnig. Atemberaubend. Sex belebt. Sex verjüngt. Sex macht schön. Sex macht schlau. Sex macht schlank. Sex hält munter. Sex hält fit. Sex ist das Nonplusultra. Das Sahnehäubchen. Das Salz in der Suppe. Das Tüpfelchen auf dem i. Ohne Sex kann man nicht leben.
Unsere allein stehende Alleinerziehende hat keinen Sex. Nicht mal ein winziges bisschen. Nicht mal ein kleines Tüpfelchen. Wahrscheinlich ist sie die Einzige in diesem weiten Land. Auf diesem Kontinent. Auf unserem schönen blauen Planeten. Nein, das stimmt natürlich so nicht. Denn es gibt da draußen sicher noch andere Menschen, die keinen Sex haben: Alte, Kranke, Perverse zum Beispiel. Und wenn sie es sich genau überlegt, kennt sie sogar einige Sexlose persönlich. Im näheren Umfeld sozusagen. Es sind ihre temporär ungebundenen Freundinnen. Bei jedem gemeinsamen Fernsehdienstag gibt es für die nämlich kein schöneres Thema, als das ausgiebige Lamentieren über die Tragödie, seit sechs Wochen ohne Liebhaber zu sein. Reflexartig bekundet man sich gegenseitig Mitleid: »Wie hältst du das aus?«
»Das ist ja schrecklich!«
»Da würde ich irre werden!«
Die anwesende Alleinerziehende hält bei diesen Gesprächen den Ball flach und den Kopf gesenkt und hofft, niemand in der Runde kommt auf die Idee, sie nach der Dauer ihrer aktuellen Keuschheitsphase zu fragen. In Wochen ist die nämlich längst nicht mehr zu messen. Nachdem sie neulich die Dreijahreshürde genommen hat, rechnet sie jetzt auch nicht mehr in Monaten, sondern in Jahrzehnten. Sprich: In diesem Jahrzehnt hat sie schon Sex gehabt – was anhand des Kindes auch zweifelsfrei zu beweisen ist – und im nächsten Jahrzehnt wird sie sicher auch mal wieder welchen haben. Bestimmt. Wahrscheinlich. Vielleicht.
Die Freundinnen scheinen eine vage Vorstellung von ihrem klösterlichen Intimleben zu haben, jedenfalls wird sie bei den gegenseitigen Geständnissen in besagter Dienstagsrunde immer geflissentlich übergangen und generell eher als mütterliches Neutrum wahrgenommen. Nur einmal fragte doch eine. Es war die Bekannte einer Bekannten, die sowieso niemand so richtig eingeladen hatte. »Und du, hast du grad einen Lover?«
Statt einer Antwort täuschte sie einen Hustenanfall vor. »Lo … ähü, ähü.«
Ihre beste Freundin sprang ihr rettend zur Seite. »Susi hat für so was gar keinen Kopf, die hat andere Sorgen. Stimmt’s, Susi?«
Stimmt. Sie hatte dafür gar keinen Kopf. Ein »Lover« war ungefähr das Letzte, was ihr noch fehlte. Dennoch begann in
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