Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Stoßstangen anderer Autos kleinere Schrammen hinterlassen hatten, konnten dank meiner Mithilfe bereits gestellt werden. Ebenfalls schon mehrfach durch mich zur Anzeige gekommen sind nächtliche Ruhestörer, betrunkene Hausflur-Urinierer, achtlose Hundekot-Liegenlasser. Neulich konnte ich sogar dem Ordnungsamt den wichtigen Hinweis geben, von welchen Balkonen aus regelmäßig Zigarettenkippen auf die Straße geworfen werden.
Ebenfalls von meiner Mitarbeit profitiert die lokale Müllabfuhr, denn seit ich den Inhalt der Abfalltonnen täglich überprüfe und gegebenenfalls die Hausverwaltung über Fälle fehlerhafter Sortierung informiere, ist unser Wohnblock zum beispiellosen Vorbild bei der Mülltrennung geworden.
Bei der Gelegenheit fällt mir ein: Vergessen Sie, was ich oben gesagt habe. Das mit dem Verweigern. Das habe ich nicht so gemeint. Sie wissen ja, wie wir Frauen sind, erst reden, dann denken, dazu immer diese Wut im Bauch, und zu allem Übel auch noch einen Schuss zu viel Hormone. Jedenfalls könnten Sie meine Bewerbungsunterlagen samt diesem Schreiben doch vielleicht freundlicherweise an die Behörde für Staatliche Sicherheit weiterleiten. Denn vielleicht ließe sich ja im Bereich Bespitzelung was Passendes für mich finden. Ich benehme mich nämlich bei meinen Beobachtungen in der Nachbarschaft nicht nur wahnsinnig unauffällig, ich sehe darüber hinaus auch noch ziemlich unspektakulär aus (siehe Bewerbungsfoto) und kleide mich bevorzugt wie ein Schläfer. Und kein Mensch würde Verdacht schöpfen, wenn eine griesgrämige Alleinerziehende den ganzen Tag scheinbar arbeitslos und missmutig um die Häuser streift.
In diesem Sinne schon jetzt vielen herzlichen Dank für Ihre weit reichenden Bemühungen, mich angemessen zu fordern und zu fördern. Ach, und passen Sie auf, dass Sie nicht mal aus Versehen vor meiner Tür im Halteverbot parken.
Ihre allseits aufmerksame Mitbürgerin
Astrid Herbold
www.wofindichbloßeinenneuenmann.de
T omausBerlin ist nicht übel. Seine Brust ist muskulös, sein Haar lässig verstrubbelt. Außerdem ist TomausBerlin »humorvoll, spontan, kreativ und ehrlich«. Und ein bisschen eitel, zumindest hat er fürs Oben-ohne-Foto sichtbar den Bauch eingezogen. Na ja, hätte man selbst wahrscheinlich nicht anders gemacht. Seine Hobbys klingen jedenfalls viel versprechend: Essen gehen, Film & Kino, DVDs, Theater, Musik, Tanzen, Reisen. Sein Modestil ist sportlich, sein Lieblingsessen ist: Fisch/Meeresfrüchte, Thailändisch, Arabisch, andere. TomausBerlin ist ein »aktiver und offener Mensch, halt einfach neugierig und nicht festgefahren«. TomausBerlin hat keine Kinder, aber »eventuell« einen Kinderwunsch.
TomausBerlin wird im Auge behalten. Aber erst mal weiter im Text.
Oho, aha, was haben wir denn da? Das ist doch schon besser. Tim36 – blond und schön. Und noch dazu ein »Genießer der Sinne und des Geistes«. Tim36 hat immerhin einen »eigenen« Modestil, sein Lieblingsessen ist Italienisch, Fisch/Meeresfrüchte, Japanisch. Seine Interessen sind Film & Kino, DVDs, Outdoor-Aktivitäten, Sport, Lesen, Salsatanzen, Schwimmen. Tim36 möchte »die schönsten Seiten des Lebens mit einer hübschen, geistreichen und sinnlichen Frau genießen«. Gut, das war jetzt ein bisschen redundant. Mehr als Geist und Genuss ist dem geistreichen Tim36 offenbar nicht eingefallen. Aber davon abgesehen klingt das doch alles schon sehr gut. Jedenfalls ist TomausBerlin damit eindeutig aus dem Rennen, Tim36 ist jetzt der Favorit. Der ist keine Massenware. Sieht man schon am Foto. Wie der da lächelt. Feinsinnig. Ästhetisch. Kunstbeflissen. Ein Mann – ach was: ein Gentleman wie aus dem Katalog.
Genau genommen sind Tim und Tom ja auch aus einem Katalog, aus dem man sich Männer praktischerweise nach Postleitzahlen, Körpergrößen, Gewichtsklassen, Augenfarben und Altersgruppen aussuchen kann. Auch wenn man in Wirklichkeit natürlich gar nicht ernsthaft auf der Suche ist. Weil man ja super zufrieden ist mit seinem Singlemutter-Leben.
Doch, wirklich! Sie ist super zufrieden. Und autark sowieso. Alles, alles kriegt sie prima alleine hin. Zum Beispiel letzten Sommer, da hatten Freunde von ihr ein riesiges Ferienhaus in Nordschweden gemietet. Sie musste nur zusehen, wie sie die umständliche Anreise organisiert bekam. Sagte sie deshalb ab? Nein, sie sagte natürlich sofort zu. »Klar kommen wir!« Und dann katapultierte sie sich und das Kind mithilfe öffentlicher Verkehrsmittel in weniger als 37
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