Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Köter die Wochenenden verbringen? Ist die mit meinen Kindern blutsverwandt? Nicht dass ich wüsste. Und wenn die Kinder Sonntagabend nach Hause kommen, dann heißt es immer, oh, mit Papa war’s so toll und er hat uns dies gekauft und das erlaubt und wann kriegen wir endlich auch einen Hund. Am liebsten würde ich ihm den Umgang ganz verbieten. Meinetwegen hängen Sie ihm an, was Sie wollen, Vernachlässigung, Verletzung der Aufsichtspflicht, seelische Grausamkeit, ich unterschreibe alles.«
Sie redete sich noch eine Weile den Kummer von der schwarzen Seele – damals ahnte sie noch nicht, was freundliche Familienanwältinnen mit stuckverzierten Altbaubüros für familienunfreundliche Stundenlöhne haben – Urlaub mit den Kindern und der neuen Frau? Nur über ihre Leiche. Besuchszeiten? Na ja, darum komme man ja wohl nicht herum, aber nach ihren Vorstellungen und Terminvorschlägen. Und bei ihr zu Hause, unter ihrer Aufsicht. Und allein habe er zu kommen. Die Hundeschlampe jedenfalls komme ihr nicht ins Haus. Und wenn er an den Tagen nicht könne, die sie ihm vorschlage – sein Pech! Ach, und das Sorgerecht wolle sie natürlich auch lieber heute als morgen wieder für sich allein haben. Dass sie jemals der gemeinsamen Sorge zugestimmt hatte, das war doch eindeutig ein Zeichen von vorübergehender geistiger Unzurechnungsfähigkeit. Wahrscheinlich hatte er sie beschwatzt, während sie gerade zu stillen versuchte. Das müsse doch jetzt wieder zu annullieren sein, oder? An dieser Stelle wurde sie von der sanften Stimme der Anwältin unterbrochen: »Soll ich Ihnen nicht erst mal die genaue Gesetzeslage erklären?«
Welche Gesetzeslage? Sie war wirklich nicht in der Stimmung, sich über Formulierungsnuancen in den Nebensätzen irgendwelcher Paragraphen zu unterhalten. Sie war in der Stimmung, Strafe vor Recht ergehen zu lassen. Ungerecht, kleinlich und missgünstig wollte sie sein. Und ihm das Leben zur Hölle machen. Die Anwältin tat, was sie konnte, nämlich einen verklausulierten Drohbrief zu schreiben, in dem er zur regelmäßigen Zahlung des Unterhalts sowie zur Einhaltung seiner Besuchszeiten aufgefordert wurde. Sein Anwalt antwortete mit ebenso verklausulierten Worten und den Einkommensteuerbescheiden der letzten zwei Jahre, die glaubhaft belegten, dass der Vater legal zu wenig Geld verdiente, um seiner Unterhaltspflicht in vollem Umfang nachzukommen. Außerdem fügte der Anwalt gleich noch eine detaillierte Auflistung der nächsten 36 Wochenenden bei, die der Vater mit seinen Kindern nach seinen Vorstellungen zu verbringen gedenke.
»Wir können natürlich vor Gericht gehen, aber viel wird dabei im Endeffekt auch nicht rauskommen«, sagte die Anwältin. »Wollen Sie sich mit Ihrem Exfreund nicht lieber auf anderem Wege einigen? Ich kenne auch einen sehr guten Mediator.«
Sie feuerte die Anwältin, die ganz offensichtlich eine faule und verlogene Person war, und verlegte sich auf den direkten Nahkampf. Die Haare strähnig, die Miene finster und in der Hand einen bedrohlich erhobenen Schlüssel, schlich sie dreimal um sein Auto herum und traute sich dann doch nicht, es zu zerkratzen. Zehnmal stand sie vor seiner Haustür, wollte klingeln und handgreiflich werden und ging dann doch unverrichteter Dinge nach Hause. 345-mal hatte sie den Telefonhörer in der Hand, um ihn unflätigst zu beschimpfen, und 300-mal legte sie ihn, ohne gewählt zu haben, wieder beiseite. 40-mal legte sie schwer atmend auf, als sie seine Stimme hörte. Und 5-mal beschimpfte sie ihn wirklich, allerdings heulte und lallte sie dabei ziemlich, sodass er wahrscheinlich nicht mal verstand, was sie ihm alles Gehässiges zu sagen hatte.
Sie versuchte es mit Telepathie. Morgens, mittags, abends übersandte sie ihm die schlechtesten Gedanken. Wünschte ihm Hodenkrebs und Haarausfall. Schickte Stoßgebete zum Himmel, dass ihn der Blitz treffen möge. Und jedes Mal, wenn sie im Verkehrsfunk Nachrichten von Autounfällen mit Todesfolge hörte, wünschte sie das Unaussprechliche. Man durfte so etwas natürlich nicht denken, aber wären dann nicht alle Probleme aufs Eleganteste gelöst? Sie würde ein schönes schwarz umrandetes Bild aufs Klavier stellen, die Kinder kriegten eine solide Halbwaisenrente und nie mehr müsste sie sich über Besuchsregelungen und Hundefrauen ärgern.
Aber er lebte und lebte und machte keinerlei Anstalten, sich und das neue Auto gegen einen Baum zu setzen. Also blieben ihr nur noch harmlose kleine Alltagsschikanen:
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