Wir sind nicht schwul (German Edition)
Crash Heads Interesse am Konzert einfach nur zu gering ist, um unnötig öfter aufzutauchen.
Die Probe verläuft so, wie sie verlaufen soll. Der Song, bei dem ich mitspiele, üben wir einige Male, bis sie mich entlassen. Die Band, die sie mir vorstellen wollten, bekomme ich nicht zu Gesicht, dafür könnte ich schwören, den Herrn von gestern gesehen zu haben. Entweder ist er schnell weggerannt als ich hingesehen habe, oder ich hab’s mir nur eingebildet. Oder (und das glaube ich noch am ehesten) ich habe ihn mit jemanden verwechselt. Mikage wartet bereits vor der Tür auf mich.
„Du bist zu früh“, rufe ich ihm entgegen. Er lehnt an einem Fahnenmast, mit einer Gitarre in der Hand und spielt und singt zwei Frauen etwas vor, die ihn begeistert anfeuern.
Andauernd von Leuten umgeben.
Und von Kameras.
Privatleben? – Was ist das?
Er singt und spielt ein Lied, dass ich noch nie gehören habe und seine Finger fliege geradezu und mit einer derartigen Leichtigkeit über das Instrument, wie ich es vorher noch nicht gesehen habe.
Es dauert etwas, bis ich kapiert habe, dass er auf Englisch singt, was bei ihm nicht anders als Japanisch klingt. Der Unterschied ist verdammt gering.
Als er mich hört, lächelt er mir kurz süßlich zu, vollendet aber zuerst den Refrain, ehe er die Gitarre den wilden Hühnern übergibt.
„Mikage ist der Beste!“, ruft sie begeistert aus. Das war ein Lied von ihm? Hätte ich ihm nicht zugetraut. Seine Stimme ist echt geil. Wie sie dann erst auf CD klingt? – Moment, eigentlich sollte ich das ja wissen.
Peinlich berührt muss ich mir eingestehen, dass ich bisher alles Hammer an ihm fand. Nicht perfekt, sonst hätte er bereits verstanden, dass ich nichts von ihm will, aber er ist einfach gut und das auf eine sehr überzeugende Art und Weise.
„Danke.“ Er verneigt sich schnell und dann noch einmal gen Kamera und entschuldigt sich. Unnötig, denn ich gehe eh bereits auf ihn zu, damit er sich nicht entschuldigen muss.
„Hoi, Finn-chin!“ Wie kann man nur dauernd so fröhlich sein, wenn man doch nie für sich alleine sein kann , frage ich mich. Hopefully täuscht er das alles nicht nur vor.
Ob der Käfig, in den man ihn gesperrt hat, aus Gold oder bereits aus Platin ist? Auf jeden Fall ist er zugleich durchsichtig.
Ein wenig unbeholfen nicke ich den beiden Damen und der Kamera zu.
„Hey there!“ Begeistert klatschen die Frauen in die Hände.
„Sugoi! Finn-kun kann Englisch? Lernt man das auch in Österreich?“ Wie wenig man doch über die Kulturen des eigenen Planeten weiß , denke ich mir. Nickend stimme ich zu.
„Hai.“ Meine Mundwinkel haben bereits gezuckt und ich wollte anfügen, dass man es bei uns korrekter ausspricht, als die Leute es hier jemals zustande bekommen könnten. Angestrengt versuche ich mir diese Aussage zu verkneifen.
„Haben Mikage und Finn heute etwas vor?“, fragt eine der Frauen das Gitarrengenie.
„Ja. Wir wollen nach Tokyo. Dort wollte ich Fi-chin etwas zeigen. Keine große Sache.“ Schmunzelnd legt er einen Arm um meine Schulter und zieht mich ein wenig mehr an sich heran. „Aber es wird ihm gefallen.“
Wovon er wohl spricht? Es muss das sein, was er mir gestern schon zeigen wollte, wo ich allerdings vorher schon abgehauen bin.
„Darum entschuldigen wir uns jetzt. Schönen Tag noch die Damen und Danke!“
Wir verneigen uns schnell vor den Damen und schon werde ich zum Auto gezerrt.
„Heute werde ich dir keine Chance geben, abzuhauen.“ Prima und meine Jungs meinten noch, ich bräuchte mich nicht zu beeilen, weil das, was sie mit mir machen wollten, Mikage mit mir machen wird. Ich hatte keine Ahnung, wovon die Rede war.
„Gibt es eigentlich Dinge, die du besonders magst?“ Spielt er auf Musik an? Meine Lieblingsband? Die werde ich nicht erwähnen. Nicht, dass ich über Ecken und Enden jemanden beleidige.
„Dinge, die ich mag, hm …“ Nachdenklich starre ich zum Fenster hinaus. Ich komme nicht all zu oft in Situationen, in denen ich darüber nachdenken muss, was ich mag. „Nun, ich mag …“ Was soll ich ihm sagen? Geduldig sitzt er da und sieht mich an. „Darüber muss ich etwas nachdenken.“
Schockiert legt er ein Bein über das andere. „Was redest du denn da? Du wirst doch wohl deine Vorlieben kennen. Du bist doch keine fünf Jahre mehr.“
Nein, ich bin keine Fünf mehr, aber mein Leben war bisher der reinste Stress. Die Erwartungen an mich waren immer enorm hoch und ich habe immer alles getan, um ihnen gerecht
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