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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Trockendocks zu schwimmenden Seifenschalen, die Kais versanken in einem Flimmern der Luft, durch die nur noch das Flattern der Taschentücher wie irrende Punkte herüberleuchtete.
    Im freien Wasser verließ dann der Lotse den Dampfer und stieg über auf einen der kleinen Schlepper. Die Stahltrossen wurden gehievt, noch einmal tönte das Sirenenkonzert über das rauschende Meer – dann zog die ›Argentinia‹ ihren schlanken weißen Leib durch das in der Sonne leuchtende Meer, dem Süden entgegen.
    Dr. Perthes lehnte noch immer an der Reling und blickte auf die versinkende Küste Deutschlands. Auf einmal kam er sich verlassen und ausgestoßen vor, einsam wie ein Flüchtender, der eine schlechte Tat begangen hat und die Heimat zurückläßt. Ich komme wieder, dachte er dann, und stand immer noch an der Reling, bis der allerletzte helle, kaum noch wahrnehmbare Streifen der Küste am Horizont versank. Ich komme bestimmt zurück und löse mein Wort ein, dachte er immer wieder.
    Kreischende Möwen umgaukelten das Schiff und hofften auf zugeworfenes Futter. Über die Küchenabfälle, die am Heck ins Meer geschüttet wurden, fielen sie her und rissen sich gegenseitig die Beute aus den Schnäbeln.
    Langsam wandte sich Dr. Perthes ab und ging im Schaukelgang zu seiner Kabine. Ein Steward, der ihm mit einem Tablett entgegeneilte, bot hohe Gläser mit Orangensaft an. Er nahm ein Glas und setzte sich in einen der herumstehenden Liegestühle. Ein kühler Wind wehte jetzt von der offenen See her. Die Schraube des Ozeanriesen wühlte die Wellen zu weißer Gischt auf, die hoch am Heck emporgeiferten. Aus den Gesellschaftsräumen drang leises Stimmengewirr.
    Kurs Südwest! Dort hinten, zwei Monate entfernt, lag Südamerika. Kolumbien! Die Urwälder von Azaneni.
    Peter Perthes schloß die Augen. Er lauschte hingegeben auf das Rauschen des Meeres.
    An diesem Tag, am 16. August 1950, dem Tag der Abfahrt des Dr. Peter Perthes, meldete sich Dr. Angela Bender krank. Die Kinderstation übernahm eine ältere, etwas mufflige Kollegin aus einer bergischen Kleinstadt. An Professor Window schrieb sie, daß er sie bis auf weiteres von ihren Verpflichtungen in der Lindenburg entbinden möchte, selbstredend ohne Gehaltsansprüche. Sie fühle sich unwohl und wolle zu Freunden nach Bayern fahren.
    Es wurde das Ende von Angela Benders Kölner Praxis, denn sie kam nicht mehr zurück. Die Kollegin übernahm auch die Privatpraxis, die Wohnung, das Mädchen … es wurde alles brieflich geregelt.
    Sosehr sich auch Dr. Paul Sacher um sie bemühte, sie in Hof in Bayern besuchte, ihr sogar den ersten Kartengruß Peters in die Hand spielte – eine Ansicht des Hafens von Las Palmas bei einem Landgang auf den Kanarischen Inseln: ›Versuche auch, Angela von mir zu grüßen‹ –, sie blieb bei ihrem festen Entschluß, nicht mehr an den Ort zurückzukehren, an dem sie einmal glücklich gewesen war. Alles – ob in der Lindenburg, in der Praxis am Stadtwald, in den Lokalen oder Theatern – erinnerte sie an Peter – es wäre ein ewiges Erinnern gewesen, ein beständiger Schmerz, dem sie sich nicht gewachsen fühlte. So zog sie sich zurück, weit weg von den ragenden Domtürmen am Rhein, und versuchte, sich ein Leben aufzubauen, in dem es keinen Dr. Perthes gab.
    Natürlich blieb ein kleiner Stachel in ihrem Herzen zurück. Über ihn kam sie nicht hinweg, denn sie fühlte wohl, daß sie damals in ihrer Erregung einen großen Fehler gemacht hatte.
    Als Peter von Bremerhaven abfuhr, fand sie in ihrer Wohnung, vom Labordiener gebracht, einen Brief vor. Sie erkannte auf dem Umschlag Peters steile Handschrift. Sie nahm den Brief von ihrem Schreibtisch auf, als sei er etwas, was man kaum anfassen dürfe. Sie ging damit in die Küche, zündete den Gasherd an und ließ den Brief ungelesen aufflammen. Dann legte sie das brennende Papier auf die Emailplatte des Herdes und beobachtete, wie das Schreiben zu einem Häuflein grauweißer Asche verbrannte. Diese kehrte sie säuberlich zusammen und warf sie in den Aschenkasten, mit einer Geste, die ein Abschluß war.
    Heute, in der Stille des bayerischen Landhauses, auf dem Holzbalkon sitzend und auf die Wiesen hinabblickend, hätte sie gern gewußt, was seine letzten Worte waren. Ob sie Verzeihen suchten? Ob sie um Verständnis warben oder bloß eine Höflichkeit darstellten, an der man bei einem solchen Abschied nicht vorbeikommt? Ihre übereilte Handlung kam ihr jetzt dumm und kindisch vor. Aber sie war nun einmal geschehen,

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