Wir sind nur Menschen
gegenüber richtig verhältst?«
»War es vielleicht richtig von ihr, mich einen Narren zu nennen und zu schreien: ›Ich kann den Namen Dr. Perthes nicht mehr hören!‹?«
Paul Sacher schüttelte den Kopf. »Peter, du bist doch Arzt und kein Kind! Du weißt wie ich, wie lieb sie dich hat und daß ihr an jenem Abend einfach die Nerven durchgingen … aus Liebe zu dir! Aus Sorge, wenn du so willst, aus purer, nackter Angst, dich zu verlieren. In ihren Augen bist du eben ein Narr, weil du ein wildes, gefahrvolles Leben dem Glück an ihrer Seite vorziehst. In meinen Augen bist du das auch!«
»Danke!« Es klang hart, dieses Wort, und Dr. Sacher gab es auf, weiter darüber mit dem Freund zu sprechen. Er hatte eingesehen, daß es für Peter kein Zurück mehr gab, auch wenn er es jetzt noch plötzlich gewollt hätte. Die Schiffskarten, die Ausrüstung, die Flugkarten, die Behörden – alles war organisiert. Direktor von Barthey zählte die Tage bis zur Abfahrt, man suchte schon ein Gelände am Kölner Stadtrand, wo einmal die Fabrikationswerkstätte stehen sollte, 50.000 DM waren mit höchster Genehmigung in Devisen umgewechselt worden, die kolumbianische Ärzteschaft erwartete ihn – es gab freilich kein Zurück mehr. Dr. Perthes hatte dem Schicksal die Hand gereicht, und es hatte den ganzen Menschen genommen …
Drei Tage später fuhr Peter Perthes nach Hamburg. Im Tropeninstitut ließ er sich untersuchen, obwohl er wußte, daß er tropentauglich war. Sein Herz war gut, die Lungen ohne Befund, Magen, Galle, Leber, die Zähne – alles war gesund. Er ließ sich gegen Cholera, Fleckfieber, Typhus und Malaria impfen; in kleinen Tropenpackungen nahm er die wertvollen Impfstoffe gegen Pocken, Pest und Lepra mit und versprach dem Chef des Tropeninstituts, einige neue Sera auszuprobieren. Er nahm aus den einzelnen Labors die Erprobungspräparate mit, hatte Konferenzen mit den verschiedensten Forschern und kehrte nach Köln zurück mit einem großen Koffer und einer noch größeren Tropenkiste aus Aluminium, voller Ampullen, Salben, Tropfen und Suppositorien, müde, abgespannt, aber vollgestopft mit Aufträgen und ehrenden Worten.
Von alledem erfuhr Angela Bender nichts. Sie hörte wohl hier und da im Gespräch mit Kollegen, daß Dr. Perthes in Hamburg sei, sie verließ aber sofort die Runde, wenn Näheres über Peter gesprochen wurde. Sie wollte nichts wissen, wollte nichts hören – nichts von dem, was ihr nachts den Schlaf raubte und was sie innerlich ausbrannte wie durch ein unlöschbares Feuer. Er fährt, dachte sie immer wieder, er fährt in die schrecklichen, tödlichen Wälder, und ich werde ihn ganz sicher nie, nie mehr wiedersehen …
Der einzige Trost war ihre Arbeit. An ihr riß sie sich empor, in ihr fand sie die Kraft, so zu sein, als wäre nichts in ihrem Leben auseinandergebrochen.
Dr. Bender verrichtete ihren ärztlichen Dienst in der Kinderstation der Lindenburg, äußerlich wie früher, freundlich, hübsch, eine nette Kollegin und eine gute Ärztin.
An den großen Laborfenstern ging sie nicht mehr vorbei. Und Paul Sacher besuchte sie nur, wenn Peter aus dem Hause war, aber wenn der Chirurg auch etwas ahnte, sie schwieg über das Vorgefallene und unterhielt sich mit ihm über dienstliche Fragen. Sie nahm sogar einen Teil ihres Jahresurlaubs und fuhr für vierzehn Tage an die Ostsee.
Peter Perthes litt sehr unter dieser Trennung, wenn er sich äußerlich auch nichts anmerken ließ und wie immer den frohen, geselligen Kollegen spielte. Es fiel zwar auf, daß er jetzt am Abend wieder genug Zeit hatte, den Ärzteskat zu besuchen – was er früher nie tat, mit der Ausrede, er müsse noch ins Labor und eine Versuchsreihe vollenden. Man merkte auch, daß er jetzt häufig mit Dr. Sacher und dem Chef zusammen war, man war aber so gut erzogen, nicht zu fragen; und auch selbst dann, als es sich nicht vermeiden ließ und sich Angela und Peter auf dem Flur der Chirurgischen Abteilung trafen und mit einem genickten Gruß aneinander vorbeigingen, übersah man dies schicklich und entschuldigte es mit einer jener Auseinandersetzungen, wie sie wohl in jeder Braut- und Ehezeit einmal vorkommen.
Die zwei Wochen, in denen Angela Bender im weißen Seesand von Grömitz lag und sich bräunen ließ, sogar im Kurhaus tanzte und sich alle Mühe auferlegte, das Erlebnis mit Peter Perthes zu vergessen, verbrachte er damit, seine Nährböden und Gifte tropenfest zu verpacken, einen Spezialkocher zu konstruieren, mit dem er
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