Wir sind nur Menschen
ich viel!«
In den drei Tagen bis zur neuen Injektion fuhren sie wieder die Flüsse hinauf und hinab und sammelten giftige Insekten. Am Braza Amanaveni trafen sie plötzlich in einer versteckt liegenden Bucht auf Umari, den Unterhäuptling der Taràpas. Er erwartete die beiden Ärzte in einem breiten Kriegskanu, das von acht Ruderern bewegt wurde. Einer davon war ein Dolmetscher.
»Du willst Zapuare verlassen?« fragte Umari über den Dolmetscher Peter Perthes.
Der sah verwundert seinen Freund an. Er schwieg einen Augenblick. Sie haben gute Späher, dachte er. Sie wissen mehr als meine nächste Umgebung. Nie habe ich darüber gesprochen, auch Fernando nicht, mit keinem der Indios. Ich habe mich nur einmal heimlich in Villavicencio erkundigt, wann der nächste Dampfer von Buenaventura aus nach New York fährt. Eine Antwort habe ich noch nicht – aber Sapolàna weiß es schon …
»Vielleicht«, antwortete er. »Ich weiß es noch nicht, Umari.«
»Du mußt bleiben!« entgegnete der Häuptling.
»Du liebst deine Heimat, Umari.« Peter zeigte auf den dichten Urwald. »Hier bist du geboren, und hier möchtest du sterben. Du würdest den Wald nie verlassen, wenn du nicht daraus vertrieben würdest. Auch ich habe Sehnsucht nach meiner Heimat, nach den Orten, wo ich als Kind spielte und glücklich war. Ich möchte diese Heimat noch einmal sehen. Dann komme ich zu euch zurück.«
Umari schüttelte den Kopf. Die Muscheln und Federn in seinen durchstochenen Ohrläppchen flatterten und klapperten. Grauenhaft anzusehen war es, wie die Schrumpfköpfe an dem Menschenhaargürtel um seinen Leib schaukelten.
»Sapolàna und ich glauben dir nicht. Wenn du erst weg bist von Zapuare, wirst du nie wiederkommen. Aber der Große Häuptling wird dich nicht gehen lassen … Er braucht dich und deinen Zauber.« Er zeigte auf die Medikamentenkästen, die in dem Boot der Ärzte lagen.
»Ist Sapolàna wieder krank?« fragte Perthes.
»Nicht er, aber viele seiner Krieger. Sie haben Fieber, sie sind von giftigen Mücken gestochen worden, sie sterben schnell. Du mußt die Taràpas retten, weißer Zauberer.«
»Ich werde euch alle impfen!« Peter nickte. »Aber erst muß ich nach Deutschland, Umari.«
»Du kannst nicht gehen. Deine Beine sind dir genommen.«
»Ich werde wieder gehen können!« Zuversicht klang in Peters Stimme. Seine Augen glänzten. »Aus meiner Heimat kam ein Mittel, dieses Mal wirklich ein Zaubermittel, und ich werde meine Beine wieder gebrauchen können. Ich werde ohne Krücken und ohne Rollstuhl zu euch zurückkehren, Umari, und euren Stamm mit neuen Mitteln impfen, auch gegen das Gift der ›Schwarzen Witwe‹! Sage das Sapolàna!«
Umari nickte. Sein Speer, mit runenhaften Zeichen bedeckt, zeigte mit der Knochenspitze hinauf in den weißblauen Himmel. »Die Götter der Sonne werden bei dir sein. Der Große Häuptling wartet auf dich. Du wirst nicht fahren können. Du mußt in unseren Wäldern bleiben. Ich weiß, daß du nicht wiederkommst.«
Ein kurzer Schrei klang aus seiner Kehle. Die acht Ruderer warfen sich nach vorn und trieben das Kanu mit starken Schlägen in die Mitte des Stromes. Pfeilschnell glitt es die Strömung hinab, dem Cuno Supari entgegen, den undurchdringbaren Wäldern von Arnorua.
Eine Baumtrommel am Ufer in den Büschen verkündete dumpf die Zusammenkunft.
Dr. Cartogeno saß Peter gegenüber im Boot und rauchte eines seiner widerlich riechenden langen Zigarillos. Sein Gesicht war ernst. »Willst du wirklich zurück nach Deutschland?« fragte er nach einer ganzen Weile, in der sie langsam den Fluß abwärts trieben.
»Ja, Fernando, ich habe es dir noch nicht gesagt. Woher es Sapolàna weiß, ist mir ein Rätsel. Als ich das Paket erhielt mit den zehn Ampullen, als ich im Mikroskop feststellte, daß es ein Gegengift ist, das mir die Bewegung der Beine wiedergeben kann, da habe ich mir geschworen, nach Deutschland zurückzufahren und den Mann zu suchen, von dem dieses Serum stammt.« Er beugte sich vor. »Verstehe es doch, Fernando! Ich muß diesen Mann finden! Nicht mein Leben allein, das Leben Tausender hängt doch an diesem milchigen Wasser! Du bleibst in Zapuare, führst unsere Arbeit weiter fort und wartest. Ich werde wiederkommen, bestimmt! Das schwöre ich dir. Ich kann ohne die riesigen Wälder nicht mehr sein, ohne den Ruf des Tukans und den Gesang der Ruderer, wenn sie zurückkommen, die Boote von Kautschuk und Orchideen entladen. Aber ich muß wissen, wer sich hinter diesem
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