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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Erlangen. Erst am dritten Tag besuchte er Angela in ihrem Krankenzimmer. Er fand sie blaß, aber für ihren Zustand erstaunlich froh. Sie saß im Bett und las. Den alten Freund begrüßte sie mit echter Herzlichkeit, und nichts hätte auf eine akute Nervenkrise hingedeutet, wenn nicht in den weißen, schmalen Händen ein immerwährendes Zittern gewesen wäre, ein Flackern in den Augen und ein leichtes Zucken der Mundwinkel.
    Nun erzählte Paul Sacher fröhlich von Köln, von dem Klinikchef Professor Window, der sie herzlich grüßen ließ, von der Lindenburg; er berichtete auch einige neue Witze, die im Ärztekasino kursierten und die nicht ganz stubenrein waren, er plauderte mit ihr, als säße er mit seiner schönen Kollegin auf irgendeiner Rheinterrasse oder in einem exklusiven Café der Kölner Innenstadt …
    Mitten im angeregtesten Gespräch wischte Angela Bender plötzlich mit der Hand durch die Luft. »Wie geht es Peter?« fragte sie unvermittelt.
    »Peter?« Dr. Sacher fiel es wie Schuppen von den Augen. »Haben Sie sich über meinen Brief so aufgeregt? Ich hätte es Ihnen nicht schreiben dürfen!« Sein Herz begann in der Erkenntnis des Selbstvorwurfes rascher zu schlagen.
    »Ihr Brief?« Sie lächelte schwach. »Als der eintraf, wußte ich es schon einige Tage. Dr. Cartogeno hatte mir auch geschrieben.«
    »Sie wußten schon von dem Unglück im Urwald von Amorua?«
    »Ja, und ich war sehr unglücklich.« Sie sagte es, als spiele sie eine Rolle in einem Bühnenstück. Fast klang es einstudiert. »Aber dann habe ich mich gefaßt und mir gesagt: Gott weiß, was er tut. Gott verteilt nicht wahllos Leid und Freud. Es muß einen Sinn haben, so sagte ich mir, daß Peter Perthes dieses Schicksal zu tragen auferlegt bekam.«
    »Vielleicht.« Paul Sacher blickte auf seine Hände, die in seinem Schoß ruhten. »Herr von Barthey ist übrigens unterwegs nach Zapuare. Er will Peter vielleicht zurück nach Köln bringen.«
    »Das wäre sehr schön für Peter«, sagte sie mit gesenktem Blick leise.
    »Und Sie kämen doch dann auch nach Köln, Angela?«
    »Ich? Nein!« Es klang so fest, als gäbe es über diese Frage keine Diskussion. »Mein Weg ist vorgezeichnet … er führt nicht mehr mit Peter auf einer Straße …«
    »Und wenn er Sie braucht, Angela?«
    »Wenn ich es recht überdenke«, sagte die Kranke und strich mit der weißen Hand die Bettdecke glatt, »so glaube ich nicht, daß er nach Deutschland zurückkehrt. Er wird in seinen Wäldern bleiben … der Urwalddoktor!«
    »Sie sprechen hart, Angela.« Paul Sacher schüttelte leicht mahnend den Kopf. »Peter ist am Ende.«
    »Das bin ich auch.« Sie sah ihn groß an.
    »Durch ihn, Angela?«
    Sie zuckte mit den Schultern, legte sich, drehte sich auf die Seite und schloß die Augen. »Ich weiß es nicht«, sagte sie leise. Dann legte sie die Hände vors Gesicht und schwieg.
    Auf Zehenspitzen verließ Dr. Sacher vorsichtig das Krankenzimmer.

XIII
    In Zapuare traf ein kleines Paket mit zehn Ampullen ein.
Ein Postreiter hatte es von Villavicencio, dem Umschlagplatz für die Post des Distriktes Meta, gebracht. Dr. Cartogeno, an den es adressiert war, nahm es zögernd in Empfang. An den Marken sah er, daß es aus Deutschland kam. Der Absender fehlte.
    Kopfschüttelnd ging er mit dem Päckchen ins Haus, setzte sich ans Fenster und schnitt mit einem Skalpell die versiegelten Bindfäden durch. Dann hob er den Deckel ab. Voll Staunen entdeckte er unter einem Pergamentpapier als Deckblatt eine Watte-Lage, in ihr ruhten zehn kleine, mit Wachs verschlossene Ampullen, die mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt waren.
    Peter Perthes, der an einem selbstkonstruierten Experimentiertisch saß, lachte zu dem Freund hinüber. »Na, was schreibt die Kleine?« rief er fröhlich. »Ich wußte ja gar nicht, daß du irgendwo eine Flamme sitzen hast!«
    Dr. Cartogeno stand auf und trat heran. Er schob Peter das Päckchen zu und setzte sich mit einem Schwung auf die Tischplatte. »Was hältst du davon?« fragte er.
    Peter betrachtete verwundert die Ampullen. »Was ist denn das? Ampullen? Mit der Post? Und mit Wachs verschlossen? Wo kommen die denn her?«
    »Aus Deutschland!«
    »Was?« Peter wollte aufspringen, aber der Körper pendelte schlaff auf den leblosen Beinen. Er wurde rot und biß die Zähne zusammen. Vergessen, dachte er. Wieder einmal vergessen! Daß es so verdammt schwer ist, zwei gelähmte Glieder nicht zu vergessen! Er nahm den Deckel des Pakets und studierte den

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