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Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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Dreißigern.
    Ich sagte »Hi« und er sagte »Hallo«, und das Ganze war irgendwie ein bisschen peinlich, weil ich nichts über ihn wusste, nur das, was er im Krankenhaus macht, und das war nicht gerade ein super Einstieg für eine Unterhaltung. Ich füllte einen Topf mit Wasser und stellte ihn auf den Herd, und er nahm seine Müslischale und steuerte auf die Cafeteria zu. Da fiel mir sein Gang auf.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte ich. »Sie humpeln ja.«
    »Ach, das«, erwiderte er. »Das ist nichts Neues. So vor einem Jahr, als ich mit den Booten zugange war, hab ich’s geschafft, mir ’nen Anker auf den Fuß fallen zu lassen.«
    Ich zuckte zusammen und sagte »Autsch!«
    »Ja, hat mir ganz schön die Zehen zerhauen«, antwortete er. »Ein paar davon sind nicht mehr gerade zusammengewachsen, darum mein lustiger Gang. Und hinterher hatte ich auch noch mordsmäßiges Fieber.«
    »Fieber?«, fragte ich, während mir plötzlich die Erinnerungen an unsere Inselreise im vorigen Jahr durch den Kopf schossen. An die zwei Tage, bevor wir wieder nach Toronto abfuhren, als ich hier im Krankenhaus festsaß und das Gefühl hatte, in Flammen zu stehen.
    Ich war am Wasser gewesen, als es passierte, genau wie Howard. Hatte mir die Ferse an einer Muschelschale geschnitten, als ich nach dem Schwimmen auf die Felsen geklettert war. Ich war überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass das vielleicht mit dem Fieber zusammenhängen könnte. Dad meinte damals, es käme wahrscheinlich von irgendwas, das ich gegessen hatte.
    Ich stellte den Herd ab und rannte ohne ein weiteres Wort hinaus in den Flur. Howard muss denken, ich hätte sie nicht mehr alle.
    Aber es stimmt, die Wahrheit steht in den Krankenhausakten. Fünf von uns Überlebenden waren letztes Jahr zwischen April und Oktober mit hohem Fieber hier in der Klinik. Und ich bin mir sicher, dass der andere Mann es auch hatte – vielleicht ist es bei ihm bloß nicht so schlimm gewesen, dass er behandelt werden musste.
    Dass wir dieses Fieber hatten, hat uns geschützt. Uns am Leben erhalten. Und das heißt, wenn wir rausfinden, wie, dann muss es auch eine Möglichkeit geben, die anderen am Leben zu halten.
    Dad muss diese Verbindung übersehen haben, wahrscheinlich aus demselben Grund wie ich. Zu sehr auf das eigentliche Virus fixiert, ohne mal die Zeit davor zu überprüfen, bevor das mit der Epidemie losging.
    Ich muss mit ihm reden. Ich hab ihn den ganzen Vormittag gesucht, aber ich konnte ihn nirgends finden. Nell meinte, er sei vielleicht rüber ins Forschungszentrum, aber da war alles verschlossen, als ich nachsah. Ich geh noch mal hin, wenn Meredith zu Mittag gegessen hat. Je früher er Bescheid weiß, umso eher können wir etwas unternehmen.
    Endlich. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich es wirklich rausgefunden habe!

6. Dezember
    Ich musste bis heute Morgen warten, um das hier aufzuschreiben. Gestern Abend wollte ich am liebsten nur noch schreien. Wahrscheinlich hätte ich den Stift nicht in die Hand nehmen können, ohne ihn in der Mitte durchzubrechen.
    Die Verbindung, das Fieber, es hat nichts zu bedeuten.
    Nein, falsch. Es bedeutet eine Menge. Nur hilft uns das in keiner Weise weiter.
    Dad kam erst am Abend wieder zurück ins Krankenhaus. Ich war so aufgeregt, dass ich ihn noch nicht mal fragte, wo er gewesen war. Ich zerrte ihn ins Archiv und zog die Akten heraus. Ich konnte gar nicht schnell genug reden, als müsste ich alles möglichst in einem Atemzug erklären, sonst würde er womöglich aufhören, mir zuzuhören. Ich glaubte, wenn er nur schnell genug Bescheid wüsste, könnten wir vielleicht Warren retten. Ich sah schon das Strahlen auf Gavs Gesicht vor mir, wenn ich es ihm erzählte.
    Nach einer Weile legte Dad mir die Hand auf die Schulter. »Kae«, sagte er. »Kae.«
    Er hatte meinen Namen bestimmt schon drei oder vier Mal gesagt, bevor ich ihn richtig hörte und mich zwang, mit dem Reden aufzuhören.
    »Ich weiß es«, sagte er. »Ich hab’s gleich gesehen, nachdem unser erster Patient gesund geworden ist.«
    Ich starrte ihn an. Ich kam mir vor, als sei ich gerade gegen eine Wand gelaufen. Wie ein Vogel, der aufgestiegen war in das, was er für den offenen Himmel hielt, und dann gegen eine Glasscheibe knallte.
    »Warum hast du denn dann nichts getan?«, fragte ich. »Alle, die dieses Fieber hatten, haben das Virus besiegt! Können wir das nicht irgendwie nutzen?«
    Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, wäre Dad schon längst dran, das wusste

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