Wir sind verbannt (German Edition)
Kichernd lief sie ihm bis zu einer Stelle mit hohem Gras hinterher. Sie hatte es sicher kaum erwarten können, wieder nach draußen zu kommen.
Fossey beschloss, ein kleines Bad im Teich zu nehmen, und ich erlaubte ihr, mich hinüber zum Ufer zu ziehen. Sie ließ sich hineingleiten, kam jedoch gleich wieder herausgehuscht und schüttelte ihr verzotteltes Fell. Ich drehte mich um, weil ich Meredith zu mir rufen wollte, da sah ich, dass wir nicht die Einzigen im Park waren.
Ungefähr zehn Meter weiter, hinter den Bäumen, stand eine Gruppe Jungs, von denen einige eine Flasche Bier herumgehen ließen. Keiner von ihnen trug eine Schutzmaske. Die meisten kannte ich aus der Schule – Quentin war dabei und dieser Typ mit den braunen Haaren, den Mackenzie mir gezeigt hatte, als wir das letzte Mal hier waren. Gav. Der Fight-Club. Ich erinnerte mich nicht mehr genau daran, wen er neulich bei sich gehabt hatte, doch ich war mir ziemlich sicher, dass es dieselben Leute waren.
Genau in dem Augenblick drehte Quentin sich in meine Richtung. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert, aber er sagte etwas zu den anderen, und sie sahen herüber. Meine Finger umklammerten krampfhaft die Leine. Die Typen waren echt nachlässig, was das Virus anbetraf. Wenn nur einer von ihnen ihm ausgesetzt gewesen war, konnte er es ganz leicht weitergeben. Aber ich hatte ja meine Schutzmaske, und vielleicht wussten sie Neuigkeiten, die wir über Dad noch nicht erfahren hatten.
Während ich überlegte, ob ich hingehen und mit ihnen reden sollte, wickelte Fossey ihre Leine um einen dornigen Busch, und ich musste mich bücken, um sie wieder loszubekommen. Als ich sie schließlich befreien konnte, kam der Junge mit den braunen Strubbelhaaren auf mich zu.
Ich stand auf, Fossey auf der Schulter. Ich hatte das dringende Bedürfnis, rasch meine Schutzmaske wieder übers Gesicht zu ziehen, doch das schien mir total unhöflich. Immerhin kratzte er sich nicht oder hustete.
Ein paar Schritte von mir entfernt blieb er stehen. Als ob er gewusst hätte, dass es mir lieber war, wenn er ein bisschen Abstand hielt. »Hallo«, begrüßte er mich. »Du bist doch Kaelyn, stimmt’s? Kann ich dich mal einen Moment sprechen?«
Es war nichts Bedrohliches an ihm. Er stand einfach nur da und wartete, den Blick fest auf mich gerichtet. Doch die Situation war mir irgendwie peinlich, vor allem mit Fossey, die mir im Nacken herumwuselte, und ich senkte den Blick. Er hatte die Ärmel hochgerollt, und an seinem Handgelenk war der Überrest eines blauen Flecks zu sehen. Seine Unterarme waren durchtrainiert und muskulös. Wahrscheinlich von den regelmäßigen Prügeleien mit seinen Kumpels.
Ich zwang mich, ihm ins Gesicht zu schauen, und versuchte, möglichst normal zu klingen. »Klar«, sagte ich. »Worum geht’s denn?«
»Ich hab gehört, dass dein Dad so was wie ein Experte für Krankheiten ist«, antwortete er.
»Er ist Mikrobiologe«, erwiderte ich. »Also, ja, er beschäftigt sich mit Bakterien und Viren und dergleichen.«
»Dann weißt du also sicher mehr als die meisten darüber, was los ist«, sagte er. »Was hat er dir erzählt? Wie schlimm ist es wirklich?«
»Ziemlich schlimm«, antwortete ich. »Sie haben immer noch keine wirksame Behandlungsmethode gefunden. Die Leute sterben. Und der Zustand von denen, die bis jetzt noch nicht gestorben sind, verbessert sich nicht. Mein Dad macht sich große Sorgen.«
»Dann wird die Quarantäne also nicht in absehbarer Zeit aufgehoben?«, fragte er und machte eine Handbewegung Richtung Festland. »Sie schicken uns praktisch zum Teufel.«
»Na ja, wenn die Ärzte ein Heilmittel finden, könnte alles in ein paar Tagen vorbei sein«, antwortete ich. »Und die Regierung hat uns nicht aufgegeben. Die vom Gesundheitsministerium sind hier, und sie schicken Nahrungsmittel und Medikamente von drüben.« Alles Dinge, die ich mir selbst auch immer wieder sagte.
Er lächelte schief. »Ja«, antwortete er. »Solange es problemlos funktioniert, uns zu helfen. Aber wenn der erste von ihnen krank wird, heißt es ›Tschüs und auf Wiedersehen‹, und schon sind wir auf uns allein gestellt.«
Noch bevor ich ihm antworten konnte, rief einer der anderen Jungs: »Hey, Gav, komm schon!« Und er nickte mir zum Abschied zu.
»Danke«, sagte er. »Pass auf dich auf.« Ich sah ihm nach, wie er mit großen Schritten über die Wiese zurück zu seinen Freunden marschierte, und hatte auf einmal das Gefühl, einen schweren Stein im Magen liegen zu
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