Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben
Kindheit und Jugend, Fotos von Freunden und der Herkunftsfamilie und auch die eigenen Kleider aufbewahrte. Bei den Verheirateten war es genau umgekehrt. Die Mehrzahl der Gegenstände, die sie als wichtig erachteten, gehörten ihnen gemeinsam und waren für die Beziehung bedeutungsvoll: Fotos, die sie an wichtige Momente in ihrer Beziehung erinnerten, Geschenke, die sie gemeinsam erhalten, und Möbel, Geräte oder Schmuckstücke, die sie gemeinsam ausgewählt hatten. Individuelle Besitztümer machten dagegen den kleineren Teil ihrer Schätze aus.
Die Trennung der Besitztümer bei unverheirateten Paaren zeige, dass diese Beziehungen noch nicht so stabil sind wie die von verheirateten Paaren, schreibt der Studienautor Clark Olson, denn sie schaffe eine Atmosphäre, in der sich beide als Individuen und weniger als Partner verstehen. Dies bestätigte sich auch in der Kommunikation der Paare: Die unverheirateten Paare sprachen vor allem über die Gegenwart; dabei spielte wohl der Mangel an gemeinsamer Vergangenheit und auch Unsicherheit hinsichtlich einer gemeinsamen Zukunft eine Rolle. Die verheirateten Paare dagegen schwelgten in gemeinsamen Erinnerungen, sprachen aber auch viel über ihre Pläne und Ziele.
Lassen sich vielleicht sogar die Beziehungsprobleme von zwei Menschen an ihren Besitztümern erkennen? Die Olson-Studie macht keine Aussage darüber, inwieweit Partner, die viele gemeinsame Schätze haben, glücklicher miteinander sind als solche, die Wert auf ihre persönlichen Besitztümer legen. Doch es ist ein interessantes Experiment, die Wohnungen von Paaren, die man kennt, in dieser Hinsicht mal in Augenschein zu nehmen. Wessen Zuhause ist mit Paarfotos und Souvenirs von gemeinsamen Urlauben gepflastert? Wo haben Partner klar abgegrenzte individuelle Bereiche? Und wie unterscheiden sich diese Paare im Hinblick auf Harmonie und Fürsorglichkeit?
Im Buch von Leanne Shapton jedenfalls kann der aufmerksame Beobachter überall Anzeichen für Brüche in der Beziehung von Lenore und Hal entdecken – und zwar schon in den Gegenständen, die für den Beginn der Liebesgeschichte stehen. Man fragt sich: Kann ein häuslicher Typ wie Lenore, die Küchenutensilien sammelt und ihre Zeit gerne lesend auf dem heimischen Sofa verbringt, wirklich mit einem rastlosen Mann glücklich werden, der sich vor allem für seinen Fotoapparat und seine Reisen zu interessieren scheint. Und wie vertragen sich ihre durchdachten, liebevollen Geschenke mit seinen zwar teuren, aber überwiegend oberflächlichen Präsenten? Insgeheim hofft man, dass Lenore bald einen Partner findet, der besser zu ihr passt, einen zuverlässigen Arzt oder Rechtsanwalt vielleicht. Ich sehe sie in zehn Jahren glücklich verheiratet mit zwei kleinen Kindern in einem Vorortbungalow leben …
Zwischen Uneigennützigkeit und Wohlstandsstreben
Im mittleren Erwachsenenalter ändert sich – parallel zu neuen Aufgaben und Herausforderungen – die Beziehung zu Dingen erneut. Die Jahre von Mitte 30 bis Mitte 60 sind eine arbeitsame und geschäftige Phase: Man etabliert sich im Beruf, kümmert sich um die Familie, baut vielleicht ein Haus. Viele übernehmen auch Verantwortung in der Gemeinde, in der Politik oder in Vereinen, später auch für Enkel und die alternden Eltern. Erikson stellte diesen Lebensabschnitt unter die Überschrift der Generativität. Darunter verstand er das Bedürfnis, etwas von Wert zu schaffen, das nicht nur für das eigene Leben, sondern auch für andere Menschen und insbesondere für künftige Generationen Bedeutung hat.
Die Einstellung zu Besitztümern im mittleren Alter ist leider relativ wenig erforscht, weniger jedenfalls als die Bedeutung bei jungen und alten Menschen. Dies mag daran liegen, vermutet der Wissenschaftler James Gentry, Marketingprofessor an der Universität von Nebraska, dass die Jahrzehnte, die diese Phasen ausmachen, ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Aufgaben und Rollen umfassen. Deshalb sei es schwieriger, allgemeingültige Aussagen über die Beziehung dieser Altersgruppe zu Dingen zu machen.
Einiges haben Forscher wie Gentry aber dennoch herausgefunden. Was materielle Werte angeht, sind die mittleren Jahre eine widersprüchliche Zeit. Auf der einen Seite führt die Gründung einer Familie typischerweise zu einem »altruistischen Schub« (Belk), bei dem egoistische Motive durch die Sorge um den Nachwuchs ersetzt werden. Der amerikanische Psychologe Paul Cameron beschreibt das etwas dramatisch so: »Bevor man Eltern
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