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Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Titel: Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Schaefer
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wird, ist das Selbst größtenteils innerhalb des eigenen Körpers zu Hause. Elternschaft aber reißt das Ego förmlich aus einem heraus und verbindet es mit dem Schicksal und der Entwicklung der Menschheit. Wenn man Kinder hat, wird Freude nicht mehr nur im Sinne von ›meine‹, sondern von ›ihre‹ gemessen.«
    Viele Eltern bemühen sich, erst einmal die materiellen Bedürfnisse und Wünsche der Kinder zu erfüllen, bevor sie an die eigenen denken. Laut Statistischem Bundesamt geben Väter und Mütter hierzulande im Schnitt 550 Euro monatlich pro Kind aus, je nach Kinderzahl bis zu 40 Prozent ihrer gesamten Konsumausgaben. Auch die Definition eines Lieblingsdinges ändert sich: Das erste Paar Babyschuhe, Malversuche und Geschenke von Sohn oder Tochter nehmen einen ganz besonderen Platz im elterlichen Herzen ein.
    Aber auch für Nicht-Eltern symbolisieren Dinge nun ihre Verbundenheit mit der jüngeren Generation. In der Kamptner-Studie war für mittelalte Teilnehmer mit oder ohne Kinder die soziale Komponente der mit Abstand wichtigste Grund für die Liebe zu einem Objekt, wichtiger als in jedem Alter zuvor. Kleine Geschenke, die eine Kindergärtnerin von ihren Schützlingen bekommt, ein Pokal der Mannschaft, die man als ehrenamtlicher Fußballtrainer betreut, Fotos von einem Ausflug mit dem Patenkind – es gibt viele Dinge, die das symbolisieren, was Erikson Generativität nennt. Ein Professor, der seine Fachartikel als wichtigsten Besitz betrachtet, bringt das Gefühl so auf den Punkt: »Ich schreibe sie zusammen mit Studenten, mit denen ich ein wirklich enges Vater-Sohn-Verhältnis habe. Ich bin jetzt in der Phase, in der man gerne Dinge teilt und anderen hilft, weiter zu kommen.«
    Die Orientierung an Beziehungen ist eines der wichtigsten Merkmale der »besten Jahre«. Auf der anderen Seite ist die Phase aber auch durch materialistische Tendenzen geprägt. Glaubt man neueren ökonomischen Studien, wird in diesem Lebensabschnitt ein Konsumhoch erreicht: Trägt man die Beträge, die ein Konsument im Laufe seines Lebens durchschnittlich für Güter ausgibt, in ein Koordinatensystem ein, ergibt sich eine Kurve, die wie der Höcker eines Kamels aussieht und dessen Spitze kurz hinter dem vierzigsten Geburtstag liegt.
    In der Lebensmitte sind Schränke, Garagen und Keller meist gut gefüllt und die eigenen Gespräche kreisen oft um materielle Dinge. Das hat zum Teil einfach mit der Natur der »Mitte« zu tun: Man hat schon eine ausgedehnte persönliche Geschichte hinter sich, mit all den Erinnerungsstücken, die damit verbunden sind, investiert aber auch (noch) in Dinge, die Ziele und Zukunftspläne repräsentieren. Zum Teil scheint man in diesem Alter aber auch für die Verführungen von Wohlstand und Konsum besonders offen zu sein. In einer Untersuchung von Belk stellte sich die Elterngeneration als besitzorientierter und materialistischer heraus als die Kinder- und die Großelterngeneration. Die Altersgruppe der 40 - bis 50 -Jährigen sagt auch am ehesten, dass ihnen Besitztümer als Statussymbol und Ausdruck sozialen Erfolges dienen. Warum, fragt sich wohl mancher, soll man nicht zeigen, was man beruflich und privat schon alles geleistet hat, und sich nicht auch den ein oder anderen Luxus gönnen?
    Volle Schränke, ein Keller, der aus allen Nähten platzt, können möglicherweise aber auch ein Zeichen dafür sein, dass man unangenehme Gefühle wie Selbstzweifel, innere Leere, Ängste vor dem Älterwerden zu übertünchen versucht. Exzessiver Konsum und die Anschaffung von teuren oder extravaganten Gütern gelten als Symptome für das, was man Midlife-Crisis nennt. Der Begriff wurde Mitte der 1960 er Jahre vom kanadischen Psychologen Elliott Jaques geprägt und bezeichnet eine Phase mit starken Selbstzweifeln, Trauer um den Verlust der Jugend und Angst vor dem Alter. Ob es die Midlife-Crisis als klar abzugrenzendes Phänomen wirklich gibt, wie viele Menschen davon betroffen sind und wie sie sich genau äußert, wird unter Fachleuten kontrovers diskutiert. Immerhin ermittelte ein groß angelegtes Forschungsprojekt der amerikanischen MacArthur-Stiftung Ende der 1990 er Jahre, dass in der Tat rund ein Drittel der 8000 Teilnehmer eine psychische Belastungsphase in den Jahren zwischen dem vierzigsten und sechzigsten Geburtstag erlebte. Diese wurde durch Probleme mit dem Älterwerden, aber auch durch einschneidende Ereignisse wie Scheidung, Tod von Angehörigen, Arbeitslosigkeit oder einen Karriereknick ausgelöst.

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