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Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Titel: Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Schaefer
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nennt. Die Clarkes würden »ebenso fürsorglich, anmutig und kreativ mit Menschen wie mit Objekten umgehen – und beide Seiten von der Vermischung der Sphären profitieren«.
    Es ist Weihnachtszeit, als Miller die Clarkes besucht. Diele und Wohnzimmer sind prächtig geschmückt; im Erkerfenster steht ein Christbaum, der üppig mit silbernen und goldenen Kugeln behängt ist und auf dessen Spitze eine zierliche, weiß bekleidete Fee thront; liebevoll verpackte Geschenke sind zum Teil unter dem Baum drapiert, zum Teil hängen sie an einem kunstvollen Arrangement von der Decke; eine handbemalte hölzerne Krippe, 15 Jahre zuvor auf den Philippinen erworben, und Dutzende funkelnde Glaslampions – hundert Jahre alte Erbstücke – ergänzen die Dekoration.
    Der Schmuck bildet den Hintergrund für das jährliche Familienfest, zu dem ausgiebige Festessen und intensive Gespräche gehören. Ihr oberstes Ziel sei es, erzählen die Eheleute dem Forscher, alle ihre Nachkommen – fünf Kinder und zehn Enkel – an einem der Feiertage zu Besuch zu haben. »Und dieses Jahr«, so Miller, »werden sie ihr Ziel erreichen.« Weihnachten ist bei den Clarkes ein Fest der Liebe, aber auch ein Fest, bei dem materielle Dinge eine herausragende Rolle spielen. Das ist für sie kein Widerspruch, ganz im Gegenteil: Zwischen der Hingabe an Dinge – die Dekoration, die Geschenke, das Festmahl – und der liebevollen Zuwendung zu anderen Menschen besteht ein enger Zusammenhang. Dieser dränge sich aber keineswegs auf, so Miller, »das eine geht so selbstverständlich ins andere über, dass es eines wissenschaftlich-kritischen Abstandes bedarf, um es überhaupt zu bemerken.«
    Nicht nur die Weihnachtsdekoration, auch andere Besitztümer der Clarkes belegen, wie prallvoll ihr Leben mit Leidenschaft, Traditionen und Familienbeziehungen angefüllt ist. Die Briefmarkensammlung, die Mr. Clarke über Jahrzehnte zusammengetragen hat und mit großer Hingabe pflegt, seine Oldtimer, mit denen die Clarkes als junges Liebespaar Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen mit in die Sommerfrische nahmen, die zahllosen Pfannen, Töpfe und Terrinen, mit deren Hilfe Mrs. Clarke ihre Festessen zaubert, der mit altem Spielzeug, Stofftieren, Schulzeugnissen und Bastelarbeiten der Kinder vollgestopfte Dachboden, das alles erzählt von einer ereignisreichen, geselligen und befriedigenden Existenz.
    Besitztümer im Alter: Summe eines Lebens
    Die Clarkes mögen ein besonders eindrucksvolles Beispiel sein, doch im Alter nehmen materielle Objekte häufig einen ganz besonderen Platz im Herzen ein. Die Wohnungen vieler Senioren sind mit Dingen angefüllt, die sich über Jahre und Jahrzehnte angesammelt haben. Sie können noch so altmodisch, verstaubt oder abgenutzt sein, die Besitzer scheinen mit jeder Faser ihres Herzens daran zu hängen. Bei den Enkeln rufen die Schätze von Oma und Opa vielleicht noch Staunen und Faszination hervor; es sind Dinge aus fremd wirkenden Zeiten und von längst verstorbenen Menschen, über die die Großeltern allerlei Geschichten zu erzählen haben. Aber die Kinder der Alten verdrehen eher die Augen: Muss man wirklich in so einem Museum leben, zwischen all den Staubfängern, mit einem Fuß immer in der Vergangenheit? Kann man nicht mal etwas wegwerfen, sich trennen, mit dem Gewesenen abschließen?
    Wenn es um Besitztümer geht, scheint es eine tiefe Kluft zwischen Alt und Jung zu geben. ›Was würden Sie sich kaufen, wenn Sie eine große Summe Geld gewinnen würden?‹ Jüngere Menschen haben in der Regel keinerlei Schwierigkeiten, diese Frage zu beantworten. Bei alten Menschen sieht das ganz anders aus, wie eine kanadische Untersuchung zeigt. Der Anthropologe Grant McCracken löcherte vierzig Bewohner von Ontario, die Hälfte zwischen 25 und 35 Jahre, die andere jenseits der 65 , in mehrstündigen Interviews zu ihrem Verhältnis zu materiellen Dingen. Die verblüffendste Beobachtung der Untersuchung, schrieb er später, war die Zufriedenheit der älteren Teilnehmer mit den Dingen, die sie besaßen. Als er sie fragte, was sie kaufen würden, wenn sie im Lotto gewännen, waren sie nicht in der Lage, auf Anhieb irgendwelche Dinge zu nennen. Sie hatten solche Probleme bei der Beantwortung dieser Frage, dass der Wissenschaftler nur zu einer Schlussfolgerung kommen konnte: Sie haben einfach keine materiellen Wünsche, und die (fiktive) Möglichkeit, in Zukunft neue Dinge zu kaufen, lässt sie kalt. Dies unterschied sie deutlich von den jungen

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