Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben
gutgehende Firma, eine luxuriöse Villa, ein Ferienhaus in der Provence, fünf Segelflugzeuge, zwei Autos. Dann gab er alles weg. »Besitz ist das Gegenteil von Freiheit«, sagt er heute. »Meine Besitztümer haben mich nicht glücklich gemacht.« Jetzt lebt er auf zwanzig Quadratmetern in einer gemieteten Hütte in den Bergen, hat seinen Hausstand so weit verkleinert, dass er in zwei Rucksäcke passt, und kommt mit 1000 Euro im Monat aus.
Rabeders Geschichte hat in den Medien einige Wellen geschlagen. In deutschen und österreichischen Blättern sind zahlreiche Artikel über ihn erschienen; selbst der britische Guardian und die amerikanische New York Daily News berichteten über den »Millionär, der keiner mehr sein will«. Ich erwische ihn telefonisch zwischen einem der Seminare, die er heute für konsummüde Menschen hält, und einer Reise nach Namibia, wo er einen besitzlosen Volksstamm besuchen will.
Wie sich die Idee entwickelt hat, seinen gesamten Besitz wegzugeben, will ich wissen. Angefangen hat eigentlich alles mit seinen Großeltern, erinnert Rabeder sich, strebsame Leute, die in einem bescheidenen Häuschen wohnten und eine Nebenerwerbsgärtnerei betrieben. Schon als Sechsjähriger fuhr er mit ihnen auf den Markt, um Gemüse zu verkaufen. Die Oma vermittelte ihm ein Menschenbild, das ihn lange begleitete: Du bist nur was, wenn du was besitzt und dadurch Macht und Einfluss hast.
Weil er seit seinem 16 . Lebensjahr leidenschaftlich Segelflug betrieb, brauchte er einen Beruf, der ihm Zeit für dieses Hobby ließ. Selbständigkeit plus Saisongeschäft, dachte er, wären ideal. So baute er sich ein eigenes Unternehmen auf, eine Wohnaccessoires-Firma, die vor allem Kerzen vertrieb. Damit begann, was er heute seine gierige Phase nennt. Er ließ in Polen, Ungarn und später China produzieren, hatte bis zu 400 Angestellte. Er selbst arbeitete 12 bis 14 Stunden pro Tag – im Winter. Im Sommer ging er Segelfliegen. Mit 3 2 Jahren war er Millionär.
Schon damals habe er im Inneren erste Zweifel und eine gewisse Leere gespürt, sagt er, aber er habe nicht den Mut aufgebracht, darauf zu hören. So sammelte er weiter Geld und Luxusgüter an. Ein bekannter Architekt baute im Tiroler Oberland eine Traumvilla für ihn: 300 Quadratmeter Wohnfläche in unverbaubarer Hanglange, die Einrichtung aus hochwertigen Naturhölzern, ein eigener Fitness- und Wellnessbereich, im Garten ein Teich und ein Beachvolleyball-Feld. Er ließ sich außerdem ein spezielles Segelflugzeug konstruieren, mit dem er exotische Plätze in aller Welt besuchte.
»Ich bin in die große Falle getappt, die lautet: Besitz macht frei«, resümiert er, und dann folgt eine kleine Pause. »Am Anfang stimmt das durchaus«, nimmt er den Faden wieder auf. »Der Schritt von gar nichts haben zu etwas haben ist eine Riesenverbesserung. Aber ab einem bestimmten Punkt geht die Gleichung nicht mehr auf. Dann ist mehr Besitz eher eine Versklavung.«
Mehrere Häuser, Flugzeuge und Autos – das bedeutet eine Menge Arbeit, stellte er fest. Die Urlaube im eigenen Ferienhaus in der Provence beispielsweise verbrachte er zu einem großen Teil damit, Handwerker zu organisieren und Verschönerungsprojekte durchzuführen. Für Genuss und Erholung blieb wenig Zeit. Ein Schlüsselerlebnis hatte er 1998 während eines Luxusurlaubs auf Hawaii zusammen mit seiner damaligen Frau. Sie wollten sich ganz bewusst das Teuerste vom Teuren gönnen: drei Wochen Inselhüpfen, Hubschrauberflüge, Übernachtungen in Fünf-Sterne-Hotels. Es sei ein regelrechtes Experiment gewesen, erzählt er: »Ich wollte herausfinden: Bin ich glücklich, wenn ich alles das mache, was mir in der Werbung versprochen wird? Die Antwort lautete: nein. Danach habe ich intensiv nachgedacht.«
Er machte einen radikalen Schnitt. 2004 verkaufte er seine Firma. Er gab das Ferienhaus in Frankreich auf ebenso wie die Autos und die Segelflugzeuge. 2010 schließlich trennte er sich von der Tiroler Villa; sie wurde im Internet verlost. Mit dem, was nach dem Tilgen der Bankkredite übrig blieb, unterstützt er jetzt Waisenhausprojekte in Lateinamerika und eine gemeinnützige Organisation, die Mikrokredite an arme Familien vergibt.
Was hat ihn am neuen asketischen Leben besonders überrascht, frage ich. (Die Bezeichnung asketisch gefällt Rabeder nicht, er nennt es lieber sein freies Leben.) »Ich war überrascht, wie viel einfacher es ist, als ich erwartet habe. Ich hatte viele Zweifel, ob es wirklich klappt.« Vom
Weitere Kostenlose Bücher