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Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Titel: Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Schaefer
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Frederick Baekeland beschreibt zwei Kunstsammler, deren Väter ebenfalls Kunstwerke sammelten. Die Söhne legten Wert darauf, sich in Epochen und Richtungen zu tummeln, die sich stark von den Spezialgebieten der Väter unterschieden. Das sei kein Zufall, wie Baekeland betont: »Väter und Söhne mit den gleichen Sammelthemen sind sehr selten.«
    ◆ Sammlungen erlauben es, sich in der eigenen Fantasie schöner und wichtiger zu machen. Die von Belk interviewte Hasensammlerin namens Bunny sinnierte (allerdings nur halb scherzhaft, wie der Forscher notiert), dass die Freunde, die ihr Hasen schenkten, wahrscheinlich fanden, sie hätte die Figur und das Gesicht eines Playboy-Bunnys. In der gleichen Studie träumte ein Mann, der sich als Entertainer sah, davon, seine Kollektion von Elefantenfiguren um einen echten Elefanten zu erweitern, um endlich die ersehnte öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    ◆ Sammeln kann das Selbst stützen, weil man sich als Teil einer Gemeinschaft Gleichgesinnter versteht. In einer Studie beschreibt der Soziologe Edwin Christ einen Briefmarkenverein, in dem sich vornehmlich Rentner treffen. Die Mitglieder, schreibt er, seien Teil »eines umfassenden sozialen Systems, das Institutionen und Normen, Status und Rollen, Prestige und Ansehen, Autorität und Führerschaft und alle sonstigen Attribute einer formalen und informellen Organisation umfasst«.
    Diese Liste ließe sich weiter verlängern: Eine Sammlung kann als Puffer wirken, der das Ego vor Bedrohungen durch Probleme in anderen Lebensbereichen schützt. Sie kann ein Bedürfnis nach Kontrolle und Ordnung befriedigen sowie genau definierte Zielsetzungen und Feedback über die erreichten Erfolge liefern. Eine Sammlung eignet sich auch deshalb so gut als Stütze des Selbst, schreibt Belk, weil sie »unzweideutig das Urteil und den Geschmack des Besitzers repräsentiert«. Durch die Zeit und Anstrengung, die ein Sammler in den Aufbau einer Kollektion steckt, habe er im wahrsten Sinne des Wortes einen Teil von sich investiert.
    Vom Nervenkitzel zur wohligen Entspannung
    Es gibt noch einen weiteren Grund, warum das Sammeln so anziehend ist: Es erzeugt einen Wechsel aus Spannung und Entspannung, der das Leben aufregend macht. Ökonomisch gesehen ist Sammeln eine Tätigkeit, die sich um besonders knappe Güter dreht. In der Regel sammelt man Dinge, an die nicht so leicht zu kommen ist – genau das macht einen großen Teil des Reizes aus. Selbst sehr reiche Menschen, die sich im Prinzip alles leisten können, sind in der Lage, durch das Sammeln eine Art künstliche Verknappung herbeizuführen. Wenn man seinen Fokus nur richtig setzt, sagen wir alte Maserati oder original altägyptische Mumien, kann praktisch jeder ein herausforderndes Gebiet für sich finden.
    Die Konzentration auf rare Dinge hat nun einen interessanten psychologischen Effekt: Man setzt sich selbst unter Strom. Der Wunsch, endlich eine Phonoliszt-Violina, einen Autograf von König Ludwig oder ein anderes seltenes Objekt zu besitzen, erzeugt einen Zustand innerer Unruhe, der bis zur Unzufriedenheit gehen kann. Dies wird den Sammler dazu treiben, seine ganze Energie zu mobilisieren, um den begehrten Gegenstand zu finden. Die Spannung steigt noch, wenn es einen direkten Konkurrenten gibt, den es auszustechen gilt. Gelingt es dem Sammler, das Objekt zu erwerben, setzt langsam wohlige Entspannung ein – bis er ein neues Ziel in Angriff nimmt.
    Dieser Wechsel aus Spannung und Entspannung wird von Sammlern als sehr befriedigend erlebt, wie Forscher herausgefunden haben. Ein neues Stück zu finden und zu erwerben, sehen sie oft als den vergnüglichsten Teil ihres Hobbys an. Mehr noch: Oft kreieren sie ganz bewusst eine Agenda, die zu einem kontrollierten Ansteigen und Abflauen des Jagdfiebers führt. Wie das funktioniert, macht die Schilderung eines Büchersammlers aus der Formanek-Studie anschaulich klar:
    »Ich fieberte diesem jährlichen Bücherverkauf wochenlang entgegen und fühlte mich wie ein Kind, das auf Weihnachten wartet. Das Datum schien mein Leben zu bestimmen: ich musste nicht nur sicherstellen, rechtzeitig dorthin zu kommen, sondern mindestens eine Stunde vor Öffnung der Türen da zu sein, um meinen Platz als erster in der Schlange zu sichern. Als ich in der Schlange stand, konnte ich ein Gefühl der Erregung und Aufregung spüren (Ausschüttung von Endorphinen?), das sich noch erhöhte, als ich andere ähnliche Aussagen machen hörte. Schließlich wurden die

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