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Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Titel: Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Schaefer
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hängt von Angebot und Nachfrage, dem Einkaufspreis, dem Nutzwert ab. Sentimentalitäten wie die Tatsache, dass etwas »mir gehört«, darf es da eigentlich nicht geben. Entsprechend intensiv wurde der Besitztumseffekt untersucht. Wissenschaftler führten Laborexperimente, Marktsimulationen und Feldstudien durch; sie setzten dabei die unterschiedlichsten Gegenstände – von Weinflaschen bis zu Brillen, Eiern und Lotteriescheinen – ein und testeten Amerikaner, Europäer und Asiaten, Erwachsene und Kinder. Das Resultat: Das Phänomen wurde immer und immer wieder repliziert.
    Selbst Affen scheinen gegen die Macht des Phänomens »Das gehört mir« nicht immun zu sein. Owen Jones, ein Biologie- und Juraprofessor von der Vanderbilt University in Nashville, und Sarah Brosnan, Primatologin und Professorin für Psychologie an der George State Universität (Atlanta), führten eine Abwandlung des Knetsch-Experiments mit 33 Schimpansen durch. Statt Tassen und Schokolade verwendeten sie Tuben mit Erdnussbutter und aus Orangensaft hergestelltes Wassereis am Stiel. Normalerweise schlucken Schimpansen Eßbares sofort herunter. Die Snacks aber waren so gewählt, dass die Affen Zeit brauchten, um sie zu verzehren. Durch diesen Kniff konnte man den Tieren die Möglichkeit zu einem Tausch geben. Und es zeigte sich: Hatten die Affen einen der Snacks erst einmal ein paar Sekunden »besessen«, waren sie kaum noch bereit, ihn gegen die andere Köstlichkeit einzutauschen. So entschieden sich 80 Prozent von ihnen, an der Erdnußbutter festzuhalten und lehnten es ab, sie gegen den gefrorenen Saft zu tauschen. Bot man ihnen dagegen gleichzeitig Erdnussbutter und Saft an, präferierten nur 60 Prozent die süße Paste. (Einen umgekehrten Effekt beobachteten die Forscher, wenn sie den Affen zunächst das Safteis gaben.)
    Heute zählt der Besitztumseffekt zu »den wichtigsten und robustesten empirischen Ergebnissen, die das Feld der Verhaltensökonomik hervorgebracht hat«, wie es in einem Fachartikel heißt. Mittlerweile sind auch die Medien aufmerksam geworden. In Magazinen und Zeitungen erschienen zahlreiche Artikel und Berichte. Und nicht nur das: Wirtschaftsunternehmen versuchen, von diesem Effekt zu profitieren. Wenn ein Autohändler einem Interessenten einen Wagen für ein paar Tage zum Probefahren überlässt oder ein Möbelhaus bereit ist, eine teure Schrankwand mit einem mehrmonatigen Rückgaberecht zu verkaufen, dann hat das nur bedingt mit Service zu tun. Die Firmen wissen: Wenn der Kunde das Teil erst einmal eine Zeit lang zu Hause hat, wird er sich nur schwer wieder davon trennen.
    Manche Wissenschaftler, vor allem ökonomisch orientierte Forscher, gehen davon aus, dass hinter der Schwäche für den eigenen Besitz eine sogenannte Verlustaversion steckt. Das bedeutet: Verluste werden als gravierender erlebt als Gewinne. Die Folge: Man meidet Verluste, selbst wenn es vernünftig wäre, sich von etwas zu trennen. Nach dieser Erklärung schreckt man davor zurück, sein altes Fahrrad zu einem angemessenen Preis zu verkaufen, weil man das Gefühl scheut, etwas verloren zu haben.
    Neue neurowissenschaftliche Studien bestätigen diese These. Brian Knutson von der Stanford University beobachtete die Hirnaktivitäten von Testpersonen, während sie über das Behalten oder Nicht-Behalten von Besitztümern nachdachten. In der Tat waren bei ihnen Gehirnregionen aktiv, die typischerweise mit der Wahrnehmung finanzieller Einbußen und Ausfälle in Verbindung stehen. Die Teilnehmer schienen sich also tatsächlich vor allem auf den »Verlust-Aspekt« der Entscheidung zu konzentrieren. Die Angst vor Verlusten wiederum könnte evolutionäre Wurzeln haben, vermuten Wissenschaftler. Für unsere Urahnen war es sehr riskant, sich auf Tauschgeschäfte einzulassen, selbst wenn sie fair erschienen. In einer Gemeinschaft, in der es weder Geld, Verträge noch eine Rechtssprechung gab, konnte man bei einer Transaktion leicht über den Tisch gezogen werden. Besser stellten sich jene, die an ihrem Besitz klebten. Nach dieser Erklärung ist das Festhalten an Dingen also als Ergebnis der von Darwin beschriebenen natürlichen Auslese zu verstehen und bereits in den menschlichen Genen angelegt.
    Für den Besitztumseffekt gibt es noch eine weitere plausible Erklärung: Menschen haben eine generelle Tendenz, sich selbst in einem übermäßig positiven Licht zu sehen. Manche Forscher, insbesondere Psychologen, gehen davon aus, dass man diese

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