Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben
ausgedrückt: Wenn der Blick auf Unordnung in der Umgebung fällt, kann man sich schwer auf eine Sache konzentrieren. Man kann das vielleicht mit der Ablenkung durch kleine Kinder oder Haustiere vergleichen. Genauso wie es die Lektüre eines Buches erschwert, wenn Sohn und Tochter im Hintergrund streiten oder der Hund merkwürdige Geräusche von sich gibt, konkurrieren auch herumliegende oder –stehende Sachen um die Aufmerksamkeit. Die noch wegzupackende Schnorchelausrüstung lässt die Gedanken vielleicht zum letzten Urlaub abschweifen, die Stapel auf dem Schreibtisch scheinen »Räum mich endlich auf!« zu rufen. Man kann zwar weiter lesen, aber man ist irgendwie nicht ganz dabei. Und nicht nur die Konzentration, auch die Informationsverarbeitung funktioniert in einem unaufgeräumten, unübersichtlichen Umfeld schlechter, wie die Wissenschaftler demonstrieren konnten.
Zu noch weitreichenderen Ergebnissen kommen zwei Psychologen von der Yale University. Lawrence Williams und John Bargh konnten in einer Serie von Laborexperimenten zeigen, dass die Wahrnehmung von räumlicher Enge zu größerer emotionaler Empfindlichkeit, Übervorsicht und sozialer Anhänglichkeit führt. Am Anfang jeder Studie ließen die Wissenschaftler die Teilnehmer auf einem kartesischen Koordinatensystem zwei Punkte eintragen. Für manche lagen diese Punkte nahe beieinander; für andere weit voneinander entfernt. Wie man aus anderen Studien weiß, lässt sich durch diese einfache Übung ein Gefühl von Enge beziehungsweise Weite hervorrufen. Dann testeten sie, inwieweit sich die unterschiedliche räumliche Erfahrung auf das emotionale Erleben auswirkt. Die Teilnehmer wurden gebeten, einen Text zu lesen, in dem eine peinliche Situation beziehungsweise ein gewalttätiges Ereignis beschrieben war. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer, bei denen ein Gefühl von Weite erzeugt worden war, die Beschreibung von Peinlichkeit und Gewalt weniger unangenehm fanden als diejenigen, die auf Enge eingestimmt worden waren. Die Wahrnehmung von räumlicher Weite schien erstere wie ein Schutzschild gegen unbehagliche Empfindungen abzuschirmen.
Auch auf die Einschätzung »gefährlicher« Situationen wirkt sich das räumliche Empfinden aus, wie Williams und Bargh in einem dritten Experiment herausfanden, in dem sie die Versuchspersonen den Kaloriengehalt von ungesunden Speisen schätzen ließen. Erstaunlicherweise hielten jene, die auf Enge fixiert waren, den Kaloriengehalt von Schokolade und Pommes frites für höher als die auf Weite eingestimmten Teilnehmer. Junkfood, so die Erklärung der Wissenschaftler, wird als gesundheitliche und emotionale Bedrohung wahrgenommen. Wer sich räumlich eingeengt fühlt, nimmt diese Gefahr als gravierender wahr als jemand, der sich eines gewissen Bewegungsspielraumes sicher ist.
In der Psychologie ist seit längerem bekannt, dass Menschen räumliche Distanz mit Sicherheit gleichsetzen. Diese Studie belegt nun, wie tief das Phänomen im menschlichen Bewusstsein verankert ist: Menschen übertragen die Informationen über räumliche Entfernung offenbar auf die »psychologische Distanz« zwischen sich und anderen Objekten. Wer Raum hat, fühlt sich gegenüber der Umwelt emotional sicherer und unabhängiger. Dies gilt sogar für die Beziehung zu anderen Menschen. Im vierten Experiment befragten die Yale-Psychologen die Teilnehmer zu ihren Beziehungen zu Eltern, Geschwistern und zu ihrer Heimatstadt. Prompt fühlten sich die auf räumliche Distanz eingestellten emotional unabhängiger als die auf Nähe präparierten. Wenn man ständig vom Familienleben genervt ist oder das Gefühl hat, die soziale Kontrolle der Nachbarn ließe einem keine Luft zum Atmen, hat das also möglicherweise auch mit dem überbordenden Gerümpel und dem Chaos in den eigenen vier Wänden zu tun.
Es könnte sich also durchaus lohnen, mal gründlich auszumisten.
ZUM SCHLUSS
Eine Geschichte über Verlust und Neuanfang
U mzüge auf einen anderen Kontinent sind eine aufregende Angelegenheit, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Man packt seinen Hausstand in einen Container und hofft, die Sachen am anderen Ende des Ozeans wohlbehalten wiederzusehen. Die auf solche Umzüge spezialisierten Firmen versichern einem, dass ganz selten etwas passiert. Bei schwerem Sturm könne schon mal ein Container über Bord gehen. Aber Umzugsgut werde meist gut geschützt unter Deck geladen. Eine Versicherung muss man aber dennoch abschließen – sicher ist sicher.
Als Silke
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