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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sowieso kurz Rast machen und ein Stück Brot essen«, sagte der Fahrer. »Da kann ich dich rauslassen. Sag, haste was ausgefressen, Bürschchen?« Er musterte ihn misstrauisch von der Seite. Bastian wusste, wenn einer »Bürschchen« sagte, wurde es gefährlich. Das war schon so, als er ein kleiner Junge war. Aber der Mann hatte immer noch nichts Böses im Blick.
    Stattdessen bremste er kurz vor dem Ort und bot ihm eine Scheibe Brot an. Graues, frisches Brot.
    Zitternd hielt Bastian die Scheibe in der Hand. Er nahm einen Bissen. Er wollte es wirklich langsam kauen. Trotzdem schlang er es plötzlich in sich hinein. Dazu gab es noch einen Becher Milch. Er trank sie Schluck für Schluck.
    »Lange nichts mehr gehabt, was?« Der Mann lächelte gutmütig. Er nahm jetzt einen Apfel aus dem Korb, rieb ihn an seiner Joppe blank und gab ihn Bastian.
    »Danke.«
    »Gern geschehen«, sagte der Mann. Bastian sprang aus dem Wagen. Der Motor tuckerte und der Mann gab Gas. Bastian sah ihm einen Augenblick lang sehnsüchtig nach. Dann ließ er den Blick schweifen, hinauf zu den Hügeln, wo er den Felsensee vermutete.
    Ganz einsam und verlassen an einer Felsenwand, da liegt ein stilles Wasser, der Felsensee genannt. Hier treffen sich die Burschen vom schönen Köln am Rhein mit ihren Fahrtenmädels zum frohen Zusammensein. Wir sind Kameraden vom Trampen und von Fahrten und ein kleines Edelweiß soll unser Zeichen sein.
    Leise summte er vor sich hin, doch er konnte sich Träumereien nicht leisten. Er musste weiter. Zu Fuß durch Wälder und an Orten vorbei, die er nicht kannte.
    Er ging nicht mehr bei jedem Wagen in Deckung, duckte sich nicht mehr bei jedem Geräusch. Hoffentlich war er nicht zu leichtsinnig geworden.

    PAUL,
    WO BIST
    DU? Paul, du warst doch immer da, aber jetzt bist du nicht bei mir. Paul, wo bist du?« Franzis verzweifelte Rufe hallten immer eindringlicher aus den Ritzen von Pauls Kammer. Sie schüttelte das Bett auf, sie klopfte gegen die Wand. Sie sang, lockte ihn und rief. Aber Paul kam nicht.
    Franzi wartete verzweifelt auf Paul. Paul war am Abend des 9. November fortgegangen. Und war nicht zurückgekehrt. Am Tag darauf hatte die Gestapo dreizehn Edelweißpiraten aus der Gruppe um Bomben-Otto öffentlich hingerichtet. Sie hatten Ralle aufgehängt. Billi, Bastian und Fatz waren, dem Himmel sei Dank, nicht dabei gewesen. Und doch blieb auch Fatz verschwunden. Und Bastian war wahrscheinlich noch in Brauweiler.
    Franzi hatte Pauls Brief in der Schreibmaschine gefunden und konnte sich keinen Reim darauf machen. Das war ein Abschiedsbrief und doch nicht. Aber er war nicht für sie. War nicht einmal gefaltet oder verschlossen gewesen. Jeder, der in seine Kammer kam, hätte ihn lesen können. Franzi war sicher: Wenn er hätte gehen wollen, hätte er ihr einen Brief geschrieben, nur für sie. Also war er nicht gegangen. Aber wo war er?
    »Paul, Paul, was hast du nur gemacht?«, rief sie. Und immer größer wurde ihre Sorge, dass Paul bei einer seiner waghalsigen Unternehmungen etwas passiert war.
    Und als Lagusch am Abend nach den Hinrichtungen in der Küche im schwachen Schein einer Kerze die Meldungen aus dem Kölner Anzeiger vorlas, durchfuhr es sie eiskalt.
    »Da hat doch tatsächlich jemand den Oberkommissar Ziegen erschossen. Hier ist die Meldung«, sagte er.
    Dann nahm er Lisa an die Hand und sagte: »Komm, wir gehen Hennes füttern. Einer muss sich ja um das Tier kümmern. Weiß der Kuckuck, wo dieser Bengel sich rumtreibt.«
    Als Lagusch mit Lisa zurückkam, lief Franzi zu Pauls Kammer und zum Pferdestall. Sie kannte das geheime Versteck zwischen den Strohballen. Sie tastete die Stelle ab – leer. Die Pistole war weg. Sie durchwühlte sein Bett, seine Kiste, die Verkleidungen an der Rückwand. Nichts.
    Aber in der Zeitung hatte nicht gestanden, dass die Polizei den Mörder Ziegens erwischt hatte. Also: Wo war Paul? Abgetaucht? Durfte sie noch hoffen? Wenn es Paul war, der Ziegen erschossen hatte, hatten sie ihn gefasst?
    Franzi starrte in die Nacht und stotterte Pauls Namen. »Komm«, rief sie, »komm doch zurück!« Sie rief es in das Dunkel der Nacht. Doch die Stille, die folgte, vergrößerte nur ihre Sehnsucht.
    Vielleicht war sein Name nicht mal eine Notiz wert gewesen. Vielleicht hatten sie ihn sofort an die Wand gestellt. Abgeknallt. Nein, dazu war die Gestapo zu eitel. Wenn sie Ziegens Mörder erwischt hätten, wäre ihnen das eine Schlagzeile wert gewesen. Sie sah es förmlich vor sich: Peter König,

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