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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nach vorne ins Gleisbett fiel. Hatten die ihn getroffen? Oder stand er jetzt auf und kam hinterher?
    Bastian rannte weiter. Nur weg, dachte er, runter vom Bahngelände. Er lief durch Seitenstraßen, immer parallel zur Venloer Straße. Nur nicht die Hauptstraße entlang, das war Gesetz. Über Zäune, durch Gärten, über Trümmergrundstücke. Weiter, weiter. Wie gehetzt, bis er nicht mehr konnte. Er lehnte sich in eine Mauernische und verschmolz mit ihrem Schatten.
    Sein Atem rasselte. Die Lungen schmerzten. Er holte tief Luft und zwang sich, langsam und fest durchzuatmen. Das Rauschen in seinen Ohren musste aufhören. Und das Zittern. Sein Herz raste. Sein Magen krampfte sich zusammen. Ihm war zum Kotzen übel. Weiter.
    Die Nacht war schwarz. Straßenbeleuchtung gab es wegen der Angriffe nicht. Bastian konnte kaum noch Mauern und Schatten unterscheiden. Und immer wieder redete er sich ein, dass Zack doch noch entkommen war, dass er doch noch lebte. Er stöhnte auf, versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren.
    Bastian entschied sich, nach Hause zu gehen. Nur wenn sie ihn nicht erwischten, war seine Familie in Sicherheit. Packten sie ihn, waren alle in Gefahr. Sie hatten Zack angeschossen und geschnappt. Wenn Zack lebte, würden sie ihn verhören. Die Gestapo hatte ihre Methoden und brachte jeden zum Reden. Sie hatten sich gegenseitig geschworen, die Schnauze zu halten. Um jeden Preis. Aber das war die reinste Illusion.
    Er zog die Nase hoch, schaute zum Himmel und sah zwischen den tief hängenden Wolken drei Sterne blitzen. Das war kein Bomberwetter heute Nacht. Weit über sich hörte er das Dröhnen der abdrehenden Flugzeuge. Die Flak schoss weiter. »Beruhigungsschießen« nannten sie das.
    Der Fliegeralarm war vorbei. Bomben waren in Ehrenfeld nicht gefallen. Es blieb ruhig.
    Langsam löste Bastian sich von der Mauer und sah in die Dunkelheit, die gelegentlich von Suchscheinwerfern zerrissen wurde. Niemand war zu sehen. Nichts war zu hören. Es gab keinen Grund zu rennen. Die Sache war gelaufen.

    EIN
    SCHWARZER
    WAGEN stand unter der Straßenlaterne. Bastian erkannte einen alten Opel. Die Scheinwerfer waren abgeblendet. Eine typische Gestapo-Kutsche. Er sah das kurze Aufglimmen einer Zigarette auf der Beifahrerseite. Da hatte jemand Zeit und die Ruhe weg. So sah es aus. Hatten sie Zack schon zum Reden gebracht? Oder Hotte erwischt? Oder warteten die gar nicht auf ihn?
    Bastian sprang über das Gittertor zum Hinterhof. Er kletterte die Regenrinne hoch, zu ihrem Balkon in der zweiten Etage und betete, dass eines der Fenster nur angelehnt war. Er hatte Pech.
    Leise klopfte er an die Scheibe. Die Gardine schob sich zur Seite und seine Mutter schaute ihn mit müden, geröteten Augen erschrocken an. Mit einer Hand hielt sie ihren geblümten Morgenmantel zusammen. Mit der anderen zog sie ihn in die Küche.
    »Mensch, Junge«, schimpfte sie leise. »Gott sei Dank, du lebst. Warum kommst du über den Balkon?«
    Bastian legte ihr eine Hand auf den Mund und flüsterte: »Die Gestapo ist unten.«
    Zugluft blähte die Gardine auf. Johanna Frei schloss die Balkontür, nahm Bastians Kopf in beide Hände. »Junge, Junge.« Sie drückte ihn an sich. Sie spiegelten sich im Glaseinsatz des Küchenschranks. Bastian sah sich und fuhr mit der Hand durch seine braunen, dichten Haare, die ihm jetzt verschwitzt und verdreckt um den Kopf standen. In seinem Gesicht lagen Erschöpfung und Angst. Er blies die Backen auf, sah auch seine Mutter, wie sie ihn drückte, drehte sich ihr zu und versuchte ein Lächeln. Sie hatte es wirklich nicht leicht mit ihm.
    Johanna Frei sah ihrem Jungen ins rußverschmierte Gesicht. Sie schob ihn auf einen Stuhl am Küchentisch, zog den Kessel vom Herd und die Waschschüssel. »Was ist passiert? Was habt ihr wieder angestellt?«
    Er schüttelte nur den Kopf.
    »Ist es schlimm, Bastian?«
    »Es ist schlimm, Mutter. Wie sehr, weiß ich nicht. Es ist besser, du hast keine Ahnung.«
    »Wasch dich, Junge.«
    Auf dem Tisch lagen wieder Unmengen von Uniformschiffchen. Die schob sie zusammen und legte sie auf das Sofa. Johanna Frei stützte ihren Kopf in die Hände. Die Ellenbogen auf dem Tisch. Sie drehte sich. Dabei ging ihr Blick noch einmal zum Fenster hinaus. Da stand er, der Wagen der Gestapo. Seufzend fuhr sie sich mit der Hand über die Augen. Jetzt nur nicht weinen, dachte sie. Nicht schon wieder weinen, auch nicht zittern, ruhig bleiben.
    »Sie sind noch da.« Sie kam zu Bastian herüber, der sich über die

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