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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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meistens war etwas Brauchbares dabei. Was sie nicht tragen konnten, würden sie verstecken. Dann tauchten sie in die Dunkelheit ab. Blitzschnelle, geräuschlose Schatten. Immer das gleiche Spiel, seit Wochen. Sie spielten mit ihrem Leben. Das war klar. Darauf stand der Strick.
    Ihre erste Verteilstation war immer das Gefangenenlager in der alten Gasfabrik. Die russischen Kriegsgefangenen und die polnischen und ukrainischen Zwangsarbeiter wurden dort gehalten wie Tiere, grausam und unmenschlich. Männer und Frauen. Sie mussten schuften bis zur Erschöpfung und erhielten Hungerrationen. Brot, gestreckt mit Laub und Sägespänen. Suppe, die den Namen nicht verdiente. Gerade genug, um am Leben zu bleiben. Ausgemergelte Gestalten mit Hungerbäuchen und hervorquellenden Augen, die bettelten und aßen, was ihnen in die Finger fiel. Auch wenn sie eins übergezogen bekamen oder abgeschossen wurden. Bastian hatte gesehen, wie sie von den Abfalleimern in den Ford- Werken vertrieben wurden. Da hatten sie beschlossen, etwas zu tun.
    Einen Teil der Beute behielten sie für sich. War ja nicht so, als würden die Vorratsschränke in ihren Trümmerverstecken oder zu Hause überquellen.
    Bastian hob den Kopf und spähte zu den Waggons hinüber. Er versuchte herauszufinden, wo der Posten gerade war.
    Die Sirenen heulten auf. Zwölf Sekunden Dauerton. Dann brach der Ton ab und schwoll wieder an. Zack war sofort hellwach und auf den Beinen. Lautlos hockte er sich neben Bastian.
    »Los, komm«, flüsterte er und zog die Beine an, bereit, über die Gleise zu spurten.
    »Wartet!« Plötzlich lag Hotte zwischen ihnen und drückte Zack fest in das Schotterbett. Bastian zuckte zusammen.
    »Wartet«, wiederholte Hotte flüsternd. »Da stimmt was nicht. Ich rieche das.«
    Der Posten tauchte am Ende des Zugs auf und drehte den Kopf. Er stierte unentwegt in ihre Richtung. Sie warteten schweigend, auf den Boden gepresst. Der Wachmann brach seine Tour ab, blickte in den Nachthimmel und verzog sich in seinen Unterstand.
    »Was soll da nicht stimmen?«, murmelte Zack. »Ist doch wie immer.«
    »Halt die Klappe! Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste«, murmelte Hotte und sah dabei Bastian an. Zack hielt er noch immer fest im Griff.
    »Wieder eins von deinen mulmigen Gefühlen?«, fragte Bastian leise.
    »Nee«, meinte Hotte, »diesmal nicht.« Er wischte sich mit der Hand über den Mund. »Ich glaube, ich habe Rauch gesehen. Zigarettenrauch. Er kam aus einem Waggon.«
    »Aua«, jammerte Zack und strampelte wie ein Ertrinkender mit den Beinen. »Aus welchem?«
    »Aus dem da vor uns und jetzt halt’s Maul«, fuhr Hotte ihn an. »Bleib, wo du bist, sonst ...« Er richtete sich auf und hob die Hand.
    »Komm, lass ihn«, sagte Bastian so ruhig wie nur möglich. Er fand, dass die beiden mehr Krach machten als nötig.
    Zack rang sich heftig strampelnd aus Hottes Griff, bückte sich nach einem Schotterstein und schleuderte ihn direkt auf den Waggon vor ihnen. Es schepperte und im gleichen Moment brach die Hölle los! Die Türen mehrerer Güterwagen wurden von innen aufgeschoben und schwere Stiefel sprangen auf die Gleise. Trillerpfeifen und Handlampen.
    »Vollidiot«, zischte Hotte in Zacks Richtung, der wie festgenagelt auf dem Bahndamm stand. Bastian sah schemenhafte Gestalten näher kommen. Sie waren schnell, aber nicht schnell genug. Hotte, Zack und er sprangen auf. Erst jetzt kapierte Bastian, warum die Männer so langsam waren. Sie hatten Gewehre im Anschlag. Sie blieben stehen und zielten. Sie schossen!
    »Stehen bleiben! Wir schießen!« Kommandostimmen brüllten aus dem Dunkel und übertönten den Dauerton der Sirenen.
    »Schnell weg hier!« Sie stoben auseinander, duckten sich im Schutz stehender Züge. Drei schwarze Schatten unterwegs in unterschiedliche Richtungen. Das Dunkel verwischte ihre Konturen.
    Bastian lief. Hinter ihm knallten Schüsse. Das war neu. Vor ihrem Gebrüll hatte er keine Angst, aber das Pfeifen der Gewehrkugeln versetzte ihn in Panik.
    Hotte und Zack, das wusste er, würden sich retten. Zack war schnell wie der Blitz. Den hatte noch nie jemand zu fassen gekriegt. Und Hotte? Hotte war eben Hotte, hatte mindestens neun Leben. Um den musste man sich nicht sorgen. Der kannte tausend Fluchtwege und mindestens so viele Unterschlupfmöglichkeiten. Bastian bog ab. Nur runter von den Gleisen. Und dann sah er aus den Augenwinkeln, wie Zack erstarrt stehen blieb, auf die Knie sackte und mit ausgebreiteten Armen und mit dem Gesicht

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