Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
ihm, zerrte ihn am Hemdkragen wieder auf die Beine und drückte ihn zurück auf den Sitz. Kaum saß er, schlug er ihm mit der rechten Hand ins Gesicht.
Ziegen stand plötzlich im Türrahmen. »Lassen wir es für heute gut sein, Kollege.« Er stapfte an den Tisch zurück und ließ sich schwer auf den Stuhl fallen. »Der Bengel braucht noch ein bisschen Zeit zum Nachdenken.«
Ziegen sah zu, wie Föls den Jungen über den Flur zu den Zellen trieb. Er schloss die Tür und setzte sich an den Schreibtisch.
Klapproth stand an die Wand gelehnt und rauchte. »Den sollte ich mir mal alleine vorknöpfen, dann würde der schon den Mund aufmachen.«
Ziegen lehnte aufrecht in seinem Schreibtischstuhl, die Hände im Nacken verschränkt. »Wir sollten uns lieber mit den Fakten beschäftigen, Kollege Klapproth. Wir versuchen es bei Frei mal mit klassischer Polizeiarbeit.«
»Warum ausgerechnet der? Wir haben nichts in der Hand. Wenn wir keinen zum Singen bringen, bleibt alles graue Theorie. Aber wir könnten diesen rauflustigen Wandervögeln schon jetzt Verstöße gegen die öffentliche Ordnung und illegale Gruppenbildung nachweisen.«
»Sie erinnern sich, Herr Kriminalassistent?« Die Müdigkeit in Ziegens Stimme war kaum zu überhören. »Unser Auftrag lautet, die Gruppen zu zerschlagen. Druck zu machen. Nehmen wir die beiden hier, Frei und Hummel. Es gibt eine Verbindung zwischen ihnen. Das haben wir von unserem fleißigen Informanten. Hummel ist auf den Fotos deutlich zu erkennen. Drei andere sitzen in der Zelle. Und Frei und Hummel halten dicht. Die sind nicht so harmlos, wie sie tun. Das sagen mir mein Instinkt und mein Informant. Wir werde sie laufen lassen. Frei macht Bekanntschaft mit seinem Betriebsobmann. Der wird ihn unter seine Fittiche nehmen. Und Hummel? Der ist bald achtzehn. Der bekommt Post von der Wehrverwaltung. Die Sache Hummel erledigt sich von selbst. Wir erhöhen den Druck. Wir kochen sie auf kleiner Flamme gar. Wir warten darauf, dass sie einen Fehler machen.«
Klapproth ließ nicht locker. »Unsere Sache sind die Überfälle auf die Reichsbahn, die Plünderungen während der Bombenangriffe und die Sabotage in den Betrieben. Darauf steht der Strick. Und wenn erst mal ein paar von denen am Galgen baumeln, werden die anderen schon Ruhe geben.«
»Wir haben dasselbe Ziel«, sagte Ziegen, »nur unterschiedliche Methoden.«
BLUT
TROPFTE
AUS seiner Nase. Bastian wischte es mit dem Hemdsärmel weg und suchte sich einen Platz an der Wand. Hotte war nicht da. Es war schwierig, man musste drängeln und ruckeln, ehe man die schützenden Steine im Rücken hatte.
Endlos lange passierte nichts. Dann flog die Zellentür auf und Hotte wurde reingeworfen. Schwerfällig und stöhnend kroch er zu Bastian und zwängte sich neben ihn.
Aus blutverschmiertem Mund grinste Hotte ihn an und flüsterte: »Die wissen nichts.«
Auf dem Flur vor der Zellentür klapperte es. Blechgeschirr, das aneinanderstieß. Bastian spürte Hunger. Er starrte auf das winzige Fenster in der Stirnwand, aber es verriet ihm nichts. In diesem trüben Zellenlicht verlor er jegliches Zeitgefühl.
Draußen klapperte es wieder. Ja, da wurde Essen ausgegeben. Neben Bastian knurrte ein anderer Magen.
»Geklapper von draußen heißt noch lange nicht, dass es was gibt.« Der Junge neben ihm klopfte sich auf den Bauch und sagte zu seinem Magen: »Ruhig.«
»Wie meinst du das?«, fragte Bastian.
»So, wie ich es sage. Langweilig ist es hier nicht. Die lassen sich immer etwas einfallen. Wenn denen danach ist, hungern die eine Zelle einfach aus.«
Und tatsächlich wurde in diesem Moment der klappernde Essenswagen einfach an ihrer Zelle vorbeigefahren. Alle lauschten. Und je mehr sich die Geräusche entfernten, desto hoffnungsloser sahen die Gesichter aus.
Bastian kauerte sich an die Wand, versuchte, nicht an Essen zu denken. Zeit verging, aber keiner wusste mehr, wie viel. Alle schwiegen. Von Zeit zu Zeit stand einer auf und benutzte den Eimer.
Erneutes Blechgeklapper draußen. Sofort drehten sich die Köpfe zur Tür. Aber es gab wieder nichts. Bastian strich an seinen Hosenbeinen entlang. Die Hose stand vor Dreck noch von gestern, als sie auf den Eisenbahnschienen gelegen hatten. Er dachte an Zack und schloss die Augen. Wieder und wieder sah er ihn stürzen. Verflucht! Wie hatte das nur so gründlich danebengehen können! Und dann dieser Paul. Schon merkwürdig. Kaum war der zu ihnen gestoßen ...
»Ich hab mindestens drei gebrochene Rippen«,
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