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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Franzi am Packtisch in der Binderei. Er sah, wie die Anspannung von ihr abfiel, als sie ihn sah. Es machte ihn glücklich, dass sie sich seinetwegen sorgte. Er brannte darauf, ihr alles zu erzählen. Doch Franzi legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen und machte »Psst«. Mit den Augen deutete sie in Richtung Gewächshäuser. Jemand trieb sich da herum.
    Paul schwieg sofort.
    Sie fragte stattdessen: »Hast du Sachen aus dem Krankenhaus mitgebracht?«
    »Ja, ja«, sagte Paul, »zwei kleine Handkoffer. Voll bis oben. Bastian und Hotte haben mir geholfen zu tragen. Sind schon wieder weg.«
    Frau Rose kam. Sie hatte noch einen Auftrag. »Der große Kranz muss ausgeliefert werden. Nimm Peter mit. Der hat Pferd und Wagen«, sagte sie zu Franzi.
    Sie legten den schweren Kranz aus Lebensbaum mit weißen Chrysanthemen auf das Fuhrwerk. Der Weg zum Melatenfriedhof war weit. Wie lang es dauern würde, hing vom Tempo ab, das Hennes anschlug. Paul und Franzi hatten die Gärtnerei noch nicht ganz verlassen, als Franzi sich auf dem Kutschbock an ihn schmiegte.
    »Ich bin so froh, dass sie euch nicht erwischt haben. Jetzt erzähl, hast du dir die Flugblätter mal angesehen?«, fragte sie und übernahm die Zügel.
    »Klar, sehen aber anders aus als die Blätter der Briten. Vorne ist eine Karikatur von Hitler. Die Zeichnung ist gut. Der Führer hat den Mund weit offen und versucht, Russland zu schlucken. Ist aber zu groß, obwohl er das Maul mächtig aufreißt. Auch seine Augen sind riesig. Er guckt schon ganz verzweifelt. Und du meinst, er müsste gleich an dem Brocken ersticken.« Paul lachte und streckte seine Beine auf dem Kutschbock aus. »Würde ich uns glatt übers Bett hängen.«

    BASTIANS
    HERZ
    KLOPFTE heftig. Seine Kehle war trocken. Er wollte sich räuspern, verschloss aber die Lippen. Sie hatten es sich lange überlegt. Es war wohl am besten, die Flugblätter nur dann, wenn die Flakhelfer in ihren Stellungen lagen, also bei Alarm, vor den Unterkunftsbaracken auszustreuen. So könnte sogar der Eindruck entstehen, dass die Flugblätter nachts aus britischen Maschinen herabgeregnet wären.
    Bastian stand versteckt im Dickicht und bewegte seine Zehen in den Stiefeln. Das war gut gegen die Kälte. Und gegen die Angst. Sie warteten auf den Voralarm. Es war längst dunkel. Paul hockte auf dem Boden und spähte zu den Stellungen hinüber. Zwischen ihnen und der Flak zog sich ein Graben durch die Wiese. Das war ihre Deckung. Durch den würden sie zu den Stellungen kriechen können.
    »Das dauert noch«, murmelte Bastian und legte Paul die Hand auf die Schulter.
    Sie setzten sich auf einen Stein. »Das Warten ist immer das Schlimmste.«
    »Die da drüben sind doch genauso alt wie wir«, sagte Paul leise.
    »Die sind fast alle von der Oberschule.« Und nach einer kleinen Pause: »Früher hab ich die immer beneidet. Schön lange zur Schule gehen, dachte ich, schicke Klamotten haben, Geld und keine Drecksarbeit wie wir Arbeiterkinder. Aber heute? Ich geh doch lieber zu Ford. Die da, die haben ihr Notabitur und lassen sich hier abknallen. Manchmal greift sich die erste Bomberwelle als Erstes die Flakstellungen.«
    Endlich heulte die Sirene: Voralarm. Und auch der Hauptalarm ließ nicht lange auf sich warten. Türen wurden aufgerissen. Kommandostimmen. Stiefeltritte auf dem Weg zu den Unterständen. Metall schlug gegen Metall. Klappen wurden aufgerissen. Fluchende Stimmen.
    »Los«, flüsterte Bastian. Die Flaksoldaten saßen jetzt hinter ihren Geschützen und starrten hinauf in den Nachthimmel. Als das Schießen einsetzte und ohrenbetäubender Lärm über den Stellungen lag, rannten sie geduckt im aufblitzenden Licht der Mündungsfeuer zu den Unterkünften und verteilten die Blätter.
    Keuchend warfen sie sich danach in das Gebüsch zurück. Das Herzklopfen ließ bald nach.
    »Fünf Minuten Angst und schon ist alles vorbei«, grinste Bastian schnaufend.
    »Mensch. Das ging doch. Das kriegen wir hin. Ein paar Nächte schlagen wir uns noch um die Ohren und schon sind wir fertig.« Paul war zufrieden.
    So ging es auch an den folgenden Abenden. Paul versorgte Bastian und Hotte mit den Blättern und stopfte sie sich unter das Hemd oder schob sie in eine weite Hose. Die Hosenbeine hatte er über den Stiefeln zugebunden.
    Oft verabredeten sie sich zu dritt, gelegentlich ging einer allein. Inzwischen war es für sie fast wie ein Spaziergang, auch das Herzklopfen war weg.
    In einer dieser dunklen Nächte wehte ein eisiger Wind. Bastian zog

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