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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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oder Hotte.
    Aber diese Todesangst ging mehr in die Knochen. Wie eine schwere Last hockte sie auf einem. Verbiss sich. Sie fraß einen auf. Man hatte keine Kontrolle mehr über seinen Körper. Bastian wurde auch das metallische Klicken nicht los. Diese eine unendliche Sekunde. Und danach die Eiseskälte, die bis in die Seele zog.
    »Wir werden die Flugblätter verteilen«, sagte er langsam und bestimmt. »Alle. Am besten auf einmal. Und da wir uns einig sind, dass wir sie nicht verbrennen wollen, brauchen wir eine einzige, gigantische Aktion.«
    »Ich wüsste da was«, sagte Hotte nach einigem Nachdenken und grinste. Dann breitete er seine Idee aus.
    Bastian spürte sofort ein flaues Gefühl im Magen. Aber trotzdem.
    Den Hauptbahnhof sahen sie sich ein paar Abende hintereinander an. Sie kamen durch den Haupteingang, durchquerten die Halle, blickten nach oben und bewunderten die große Glaskuppel. Lange aufhalten wollten sie sich nicht. An der gläsernen Front über dem Eingangsportal wurde gearbeitet. Überall standen Gerüste. Teilweise waren sie mit großen Planen verhängt.
    Dort wollte Hotte hinauf und Pauls Rucksack, der mit Flugblättern gefüllt wäre, ausleeren. Aus der Höhe würden sie langsam hinabschweben und vom stetigen Zugwind in der ganzen Halle verteilt werden. Ein Kinderspiel würde das sein. Und gigantisch aussehen! Das war mal eine Aktion nach seinem Geschmack.
    Paul war skeptisch. »Vielleicht kommst du da hoch. Ja, gut. Aber unbemerkt wieder runter? Bei den Menschenmassen hier.«
    »Ich hab einen Plan. Vertraut mir. Ehe einer kapiert, was los ist, sind wir über alle Berge.«
    Zwei Abende bastelten Bastian, Billi und Hotte an dem Rucksack, schnitten ihn auf, nähten Ösen ein und fädelten ein Seil hindurch. Zogen sie es raus, öffnete sich der Sack und der Inhalt fiel heraus. Hotte brauchte nichts weiter zu tun, als den Sack am Gerüst festzubinden, das Seil hinunterzuwerfen und hinabzuklettern. Zwanzig Meter Seil sollten reichen. Niemand würde auf ihn achten. Er würde seine Arbeitskleidung tragen und eine Mütze der Deutschen Reichsbahn. Und er würde ein unfreundliches Gesicht machen. Das war die beste Tarnung.
    Währenddessen trieben sich Franzi und Paul im Bahnhof herum und versuchten herauszufinden, bis wann auf dem Gerüst gearbeitet wurde. Jeden Abend war pünktlich um 20 Uhr Feierabend. Die Arbeiter stiegen vom Gerüst, entfernten eine kurze Leiter und legten sie auf das untere Gerüstbrett. Mit ausgestrecktem Arm war sie leicht zu erreichen.
    Billi wollte den Transport des Rucksacks mit den Flugblättern übernehmen. Auch den des Seils. Sie hatte da einen Plan. Sie erzählte einer Nachbarin von einer schwangeren Freundin. Die nahm sie sofort mit in den Waschkeller und wischte mit einem feuchten Tuch den Staub von ihrem Kinderwagen. Ihr ganzer Stolz! Er war aus hellem Peddigrohr mit einem klappbaren Verdeck und hatte große Räder mit Vollgummireifen. Der Schiebegriff war chromglänzend und blank poliert.
    »Ein Traum«, schwärmte die Nachbarin, »an so was kommt man heutzutage gar nicht mehr dran.« Sie kramte nach den Kissen, den Bezügen und dem Regenschutz. Der Windschutz war klappbar. Wenn er geschlossen war, konnte niemand das Baby sehen. Den Rucksack also auch nicht.
    »Meine Freundin möchte erst einmal Probe fahren«, sagte Billi.
    Bastian war als Erster am Bahnhof. Er beobachtete, wie die Arbeiter vom Gerüst stiegen und die Leiter verstauten, wie Franzi und Paul Händchen haltend in die Bahnhofshalle schlenderten und eng umschlungen den Eingang im Blick hatten. Billi schob kurz darauf den Kinderwagen in die Halle und suchte sich einen ruhigen Platz an der Wandseite. Sie sah so glücklich aus, wie nur junge Mütter glücklich aussehen können. Hut ab, dachte Bastian.
    Billi klappte den Windschutz zurück und das Verdeck herunter, gerade als ein junger Mann in der Arbeitskleidung eines Rangierers der Deutschen Reichsbahn zu ihr trat, ihr über den Kopf streichelte, mit der anderen Hand den Rucksack aus dem Kinderwagen zog, ihn sich über die Schulter warf und die Seilrolle griff. Er tat das so gekonnt in einer einzigen fließenden Bewegung, ging danach ohne Hast zum Gerüst. Bastian hatte die Leiter heruntergezogen und der Mann mit der Eisenbahnerschirmmütze und dem mürrischen Gesicht stieg auf das Gerüst. Hinter der Plane war er nicht zu sehen.
    Das Mädchen klappte den Kinderwagen wieder zu. Paul küsste Franzi heute mit weit geöffneten Augen, um die Halle gut im Auge

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