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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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los, wie immer ein paar Flugblätter unter dem Hemd. Er wartete am Rande der Stellungen auf den üblichen Alarm. Doch der kam nicht. Bastian wurde ungeduldig.
    Er konnte doch auch so ... Hatte er das Gelände nicht lange genug beobachtet? Es gab nur vereinzelte Posten, die auf ihren Kontrollgängen auf und ab marschierten. Da brauchte er nicht auf Alarm zu warten. Oder? Bastian sah die weißen Atemwolken der Wachen im dunstigen Licht der Scheinwerfer. Das schaffte er, er würde die Blätter einfach ohne Alarm verteilen. Die Flakhelfer waren in ihren Unterkünften, weil es kalt und feucht war. Also keine Gefahr.
    Außerdem fröstelte er. Schnell kramte er die Blätter aus seiner Kleidung und hielt sie fest in der Hand. Jetzt los! Er duckte sich in das Dunkel, schlich lautlos an die Erdwälle heran. Er hob den Kopf.
    »Hände hoch!« Die Stimme fuhr ihn messerscharf an.
    Bastians Hände gingen hoch. Die Blätter segelten zu Boden. Sein Herz klopfte heftig und er versuchte, im Dunkel sein Gegenüber zu erkennen.
    »Was hast du da fallen lassen?« Die Stimme war scharf. »Mach’s Maul auf!«
    Bastian brachte kein Wort heraus. Stand dort, Hände hoch, stumm, und starrte den anderen an, einen bulligen Kerl, der immer näher kam. Bastians Puls raste, hämmerte, die Hände waren schweißnass.
    »Na, komm schon! Was hast du da?« Der Atem des anderen war fast an Bastians Gesicht. Ein metallisches Klicken. Der Lauf des Karabiners zeigte genau auf seine Stirn.
    Über dem Gewehrlauf sah Bastian einen Stahlhelm. Die Augen lagen verdeckt im Schatten. Darunter die Umrisse eines Gesichtes.
    »Flugblätter.« Es kam zu leise.
    Jetzt würde der ihn packen, mitnehmen, abführen. Er würde standrechtlich erschossen werden. Das durchfuhr Bastian wie ein Blitz. Und er zitterte plötzlich wie Espenlaub. Konnte sich kaum mehr halten.
    Und wieder dieses metallische Klicken. Verdammt. Bastian konnte nichts tun außer bibbern.
    »Flugblätter?«, fragte der andere gedehnt. »Das ist nichts für Kinder. Geh nach Hause und nimm deinen Kram mit!«
    Bastian blieb erst stehen, wiederholte die Worte für sich wie ein Echo, damit er sie begriff: »Das ist nichts für Kinder. Geh ...«
    Später konnte sich Bastian kaum erinnern, wie er die Blätter gepackt, wie er die Strecke gerannt und zu Hause die Treppe hochgerast war. Sofort schüttete er sich Wasser aus der hohlen Hand ins Gesicht. Immer wieder aus der Waschschüssel. Bis er sich wieder anschauen konnte. Im Spiegel sah er einen unglaublich blassen Jungen, der kaum Ähnlichkeit mit Bastian Frei hatte. Jedenfalls nicht mit dem, den er kannte. Das Zittern ließ erst nach, als er die Zähne zusammenbiss und die Muskeln anspannte.
    Dabei kam der Gedanke: Ich muss die anderen benachrichtigen. Keiner darf mehr dahin.
    Doch das konnte er erst am nächsten Tag nach der Spätschicht. Es war ein ungemütlicher Abend und Bastian radelte nach der Arbeit zur Gärtnerei und – Paul war nicht da. Bastian wusste sofort, was das bedeutete. Er griff sich Franzis Rad und jagte Richtung Ossendorf, quer durch den Park am Schützengraben entlang. Er bemühte sich gar nicht, leise zu sein, fuhr direkt auf ihr Versteck zu.
    Da standen sie, Paul und Hotte. Und warteten seelenruhig.
    »Sofort weg hier!«, kommandierte Bastian. »Treffpunkt bei Paul.«
    Hotte und Paul fragten nicht, liefen in unterschiedliche Richtungen und verschwanden in der Dunkelheit. Bastian schwang sich aufs Rad und raste zurück.
    Eine halbe Stunde später saßen sie gemeinsam mit Franzi an Pauls Tisch und Bastian erzählte von der letzten Nacht.
    Sie wussten alle, das Kapitel Flakhelfer war damit beendet.
    »Ungefähr achthundert Flugblätter haben wir noch«, sagte Paul und deutete auf die Strohballen in Hennes’ Stall. »Sollen wir weitermachen?«
    »Wir könnten sie auch verbrennen«, schlug Franzi vor. Bastian sah die Angst in ihren Augen.
    »Kommt nicht infrage.« Hotte sah von einem zum anderen. »Das sind wir Otto schuldig. Und Zack. Und all denen, die ständig ihr Leben riskieren.« Seine Augen ruhten auf Bastian.
    Der saß schweigend am Tisch, den Blick auf seine schmutzigen Fingernägel gerichtet. Seit gestern Nacht, der Nacht, als der Posten ihm das Gewehr an den Kopf gehalten hatte, wusste er, was Todesangst ist. Angst war anders. Angst hatte er auf dem Bahndamm gehabt, als Zack starb. Und dann im EL-DE- Haus. Angst hatte er um seine Mutter und Elli. Oder in den Bombennächten. Das war vertraute Angst. Manchmal hatte er Angst um Paul

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