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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Schlacht. Es sind unsere Väter und Brüder, die da sterben.«
    Hotte räusperte sich: »Könnt ihr euch an Blum erinnern, der den Laden am Takuplatz hatte? Dem sie die Scheiben eingeschlagen hatten? Danach hat er mit dem Judenstern herumlaufen müssen und schließlich war er ganz weg, bestimmt in Müngersdorf im Sammellager. Von da aus sind die armen Schweine in den Osten befördert worden, in Viehwaggons gepresst wie Ölsardinen in der Dose. In Deutz an der Messe haben sie eigens einen Verschiebebahnhof dafür eingerichtet.«
    Paul sah dabei hinüber zum Kopfende seines Bettes. Er hatte ein Bild, das Elli gemalt hatte, an die Wand geheftet. Ein Wolfsgesicht. Bastian hatte gesagt, als er ihm das Bild brachte: »Du hast Elli sehr beeindruckt mit deiner Geschichte. Diese Sache mit dem schlafenden und dem betenden Juden. Sie denkt darüber nach, wie man Hoffnung malt und welche Farbe sie hat. Sie sucht noch. Sie schickt dir vorläufig den Wolf. Ich weiß nicht, ob sie an den bösen Wolf aus Rotkäppchen gedacht hat. An den, dem sie die Steine in den Bauch gepackt haben und der dann im Brunnen ersoffen ist.«
    Paul hatte das Blatt länger betrachtet. »Kein dummer Gedanke. So habe ich das noch gar nicht gesehen«, hatte er schließlich gesagt. »Wir werfen Steine in den Nazibauch, bringen die Nazimaschinerie vielleicht ein bisschen zum Knirschen. Mal kleine, mal dicke. Und wenn es zu viele Steine sind, müsste doch irgendwann alles kippen und stillstehen.«
    Genau diese Gedanken wiederholte er nun, deutete auf Ellis Bild und sah seine Freunde erwartungsvoll an.
    »Mag schon sein. Aber so richtig was erreicht haben wir mit unseren ›Steinen‹ bis jetzt noch nicht«, erwiderte Hotte.
    Billi schaute traurig auf das Wolfsgesicht und ergänzte: »Nee, höchstens verloren. Nämlich Zack.«
    »Vielleicht reichen unsere Steine eben nicht. Vielleicht ...« Doch Billi ließ Hotte nicht ausreden. »Jetzt hör bloß auf. Wir tanzen doch so schon auf Messers Schneide, bringen uns und unsere Familien mit diesen kleinen Aktionen in Gefahr. Mir reicht das. Wisst ihr eigentlich, dass ich immer noch wahnsinnige Angst davor habe, dass Zacks Mutter mich anzeigt? Sie wird Zack doch richtig beerdigen lassen wollen. Und das kriegt sie nur hin, wenn sie denen was liefert. Womöglich sagt sie denen meinen Namen. Und dann holen sie mich und werden alles aus mir rausprügeln wollen.«

    DER
    KRIEG
    MACHTE sie alle einander ähnlicher. Das lag nicht nur am schummerigen gelben Licht hier unten, dachte Bastian. Er beobachtete Paul, der ihm gegenüber auf Zacks Platz auf der Bank im Takubunker saß und die Augen geschlossen hielt. Sein rechter Fuß bewegte sich die ganze Zeit. Neben Pauls Kopf war immer noch Zacks Strichliste zu sehen. Jeder Strich ein Bombenangriff. Nach seinem Tod hatte sich niemand mehr die Mühe gemacht, die Liste weiterzuführen.
    Sie hatten wieder Löschdienst und Paul kam jetzt manchmal mit. Aber mehr aus einer Verpflichtung heraus. Vom Bunkerleben hielt er nichts. Paul wollte seine Schulden bei Otto begleichen und sie warteten auf Ottos Boten. Und der sollte ja hier am Bunker auftauchen.
    Bastian hätte zu gerne gewusst, wie Otto an die Flugblätter kam: Text, Bilder, Herstellung. Aber das war, wie alles, was Bomben-Otto betraf, ein großes Geheimnis. Es gab Gerüchte: Von einer Druckerei irgendwo in der Eifel wurde gemunkelt, von Waffendepots und von nächtlichen Fahrten mit geklauten Autos und dass sich Wehrmachtsdeserteure bei ihm versteckt hielten, die das Kriegshandwerk von der Pike auf gelernt hätten. Da war sicher was Wahres dran. Das meiste hielt Bastian für Geschwätz. Da wanden sich nämlich auch Gerüchte, die von den Nazis wild ausgestreut wurden, hinein. Und keiner konnte das eine vom andern unterscheiden. Immerhin hatte Otto Pauls Ausweis geliefert. Und das war ja schon was. Und er machte auch wirklich große Dinger. Aber auch seine Klappe war riesig – er kündigte häufig etwas an und dann wurde es nichts. Doch vielleicht lag das in der Natur solcher Aktionen. Man musste große Sachen planen, um dann wenigstens kleinere zu bewältigen. Und Otto hatte auf diese Weise manchem geholfen. Und alle hatten Respekt vor Otto und ein klitzekleines Misstrauen schwamm daneben mit. Bastian hatte kein gutes Gefühl.
    Paul schlug die Augen auf. Er beugte sich vor und stützte das Kinn auf die Hand. »Bin wohl eingeschlafen«, sagte er.
    Bastian sah ihm in die Augen. Er wollte herausfinden, was wirklich mit ihm los war,

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