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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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zu behalten.
    Jetzt durften nur nicht alle nach oben schielen. Sie mussten warten.
    Menschen strömten an ihnen vorbei. Reisende hasteten zu den Bahnsteigen. Die Eingangstüren waren in ständiger Bewegung.
    Bastian hatte sich angelehnt, kramte nach Zigaretten und sah wie ein ungeduldig auf seinen Zug Wartender dauernd auf seine Armbanduhr. Der Lautsprecher verkündete eine Einfahrt auf Gleis fünf.
    Billi verließ mit dem Kinderwagen den Bahnhof in dem Augenblick, als das Seilende neben Bastian vom Gerüst baumelte.
    Niemand achtete auf den Eisenbahner, der jetzt vom Gerüst stieg und die Leiter in Ruhe auf das untere Gerüstbrett schob. Paul und Franzi nickten in Bastians Richtung und verschwanden im Gedränge. Der Eisenbahner stieg auf sein Fahrrad und fuhr davon. Bastian zog am Seil und bewegte sich dann ruhig zu den Eingangstüren.
    »Das ist aber nett, junger Mann.« Eine Frau mit einem Koffer unter dem Arm und einem kleinen Mädchen an der Hand lächelte ihn dankbar an. Bastian hielt ihr die Tür auf.
    »Oh«, sagte das Mädchen und deutete mit dem Finger nach oben, »Mama, sieh mal, es schneit.«
    In der Halle schrillten Trillerpfeifen.
    Bastian ging ruhig, aber mit zügigen Schritten davon.

    ZIEGEN
    LEHNTE
    SEINEN Bauch gegen das Fensterbrett. Seine Finger trommelten immer den gleichen Wirbel auf das Holz.
    Sie kamen nicht weiter. Klapproth führte im Hintergrund das große Wort. Er plante Razzien.
    Ziegen ließ ihn. Er betrachtete den aufgeschnittenen Rucksack mit den eingenähten Ösen und das Seil, das den Schneefall der Flugblätter ausgelöst hatte. Er las die Zeugenaussagen. Ein Zeuge wollte einen Eisenbahner gesehen haben, der im Gerüst herumgeklettert war. Ein anderer behauptete, der Mann hätte eine Polizeiuniform getragen. Ziegen gab nicht viel auf Zeugenaussagen, vor allem wenn sie sich widersprachen. Er hielt sich lieber an Tatsachen. Und eine Tatsache war der Rucksack, der nach Pferdestall roch. Und der Name, der mit schwarzer Tinte auf das Innenfutter des Deckels gemalt war: P. Stern.
    »Für jede Dummheit findet sich einer, der sie begeht«, sagte Ziegen mehr zu sich selbst als zu den Kollegen am Konferenztisch. Er klemmte sich den Rucksack unter den Arm und stieg die Treppe hinab in die Telefonzentrale zu Frau Jürgens, einer der Sekretärinnen im EL-DE- Haus.
    »Wollen Sie verreisen, Herr Oberkommissar?«, sagte Frau Jürgens und schob sich die Kopfhörer in den Nacken.
    »Wer weiß, Doris, wer weiß, wohin uns beide das Schicksal noch verschlagen wird.« Ziegen schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Er machte aus seiner Zuneigung zu Doris Jürgens kein Geheimnis. Seine Kollegen hielten sie für ein »spätes Mädchen«, zu kühl und unnahbar. Eugen Ziegen wusste, dass sie klug war und ungewöhnlich schnell dachte. Dabei war sie äußerst präzise. Gerne hätte er sie in seiner Abteilung gehabt und dafür diesen Klapproth in die Wüste geschickt, der in seinen Augen ein beachtliches Brett vor dem Kopf hatte.
    »Übrigens ist das ein nettes Foto von Ihnen im Kölner Anzeiger. « Sie zog die Zeitung hervor und blätterte. »Ach, hier ...«
    Störungen im Zugverkehr – Reisende empört: Die sollte man aufhängen!
    Neben dieser Überschrift prangte Ziegens Konterfei. Er sah müde aus. »Wegen dieser Geschichte bin ich hier, Doris. Die Hetzflugblätter im Bahnhof.«
    »Das ist doch schlimm, Eugen. Ich möchte wissen, welcher Deutsche sich für so etwas hergibt. Eine Schande ist das. Propagandalügen des Feindes verbreiten.«
    »Hinter der Sache steckt Methode. Die gleichen Zettel sind in Ossendorf in den Flakstellungen aufgetaucht. Die Posten stehen da rum und kriegen nichts mit. Das ist doch kaum zu glauben. Die lassen sich die Bude unterm Hintern anstecken.«
    »Dabei heißt es doch immer: Achtung! Feind hört mit.«
    »Damit ist kein Blumentopf zu gewinnen. Wir müssen sie schnappen und unschädlich machen. Dieser Rucksack hier ist die Tatwaffe aus der Flugblattaktion. Die haben sich nicht ungeschickt angestellt, aber sie hätten diesen Rucksack nicht verwenden dürfen. Sehen Sie mal.« Ziegen klappte den Deckel auf.
    »P. Stern. Ein Name. Und der Stoff riecht nach Pferd«, meinte sie.
    »Könnte uns das nützen?«
    »Also, wenn Sie mich fragen, ›Stern‹ hört sich jüdisch an.«
    »Das muss nichts bedeuten ...«
    »Nein. Und die Flugblattwerfer können den Rucksack ja auch gefunden haben. Oder gestohlen. So dumm ist doch keiner. Schreibt da seinen Namen rein. Was sagt denn Herr

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