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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nicht da ist, bleibt ruhig. Esst und geht. Wir treffen uns später hier.«
    Er nickte ihnen zu und verschwand in der Dunkelheit.
    »Pass auf dich auf«, murmelte Bastian mehr zu sich selbst.
    Er wusste, dass ihre eigenen Flugblätter unter solchen Umständen noch warten mussten.
    Noch lange saßen Bastian und Paul an diesem Abend vor der Stalltür und lehnten sich an die Wand. Das Wasser im Kessel auf dem Spirituskocher sprudelte. Paul zog ihn herunter und brühte eine kleine Kanne echten Bohnenkaffee auf. Der absolute Luxus. Sie rauchten und sahen in den Sternenhimmel. Hennes rumorte in seiner Box. Bastian sah, dass die Zigarette in Pauls Hand zitterte.
    Paul stand auf. »Ich gehe meine Knarre vergraben. Die Schreibmaschine habe ich schon versteckt. Nur für den Fall, dass uns die Gestapo morgen erwischt. Hotte will unbedingt mitkommen. Er wartet vor dem Kolpinghaus. Mitgefangen, mitgehangen, hat er gesagt.«
    Bastian nickte: »Wird schon schiefgehen, Paul.«
    Im Kolpinghaus wurden sie langsam in der Schlange vor der Kasse nach vorne geschoben. Paul kaufte die Bons. Zwei Portionen Kartoffeln mit Soße und Gemüse für 40 Pfennige. Er bezahlte mit einem Zehnmarkschein. Die Kassiererin schüttelte den Kopf und zählte ihm das Wechselgeld auf den Tresen. Bastian zog die Augenbrauen hoch.
    Paul zuckte nur mit den Schultern. Dann schaufelte er 96 Groschen in seine Mütze und füllte sie in die Jackentasche. In der Schlange schoben sie sich langsam weiter zur Essensausgabe. Sie nahmen ihre Teller und das Besteck: Esslöffel. Messer und Gabel waren schon ausgegangen. Sie sahen sich um. Im Speisesaal standen lange Tischreihen mit Holzbänken. Es war voll. Bastian starrte auf die dicke Pampe, die man ihnen als Soße verkauft hatte. Das Stimmengewirr klang wie in einem Bienenstock. Es wurde gelacht. Am Kopfende einer Tischreihe stand ein großer, hagerer Mann mit kahlem Schädel, spitzer Nase, spitzem Kinn in einem schwarzen Anzug und schwenkte seinen Hut in ihre Richtung.
    »Da ist er«, murmelte Paul.
    Otto begrüßte sie wie alte Bekannte. Zwei junge Männer, die ihm gegenübergesessen hatten, zwinkerten ihnen zu und standen auf. Unter dem Tisch ließen sie zwei braune Handkoffer stehen.
    Otto stemmte die Hände auf den Tisch und sagte: »Schön, euch zu sehen. Pünktlich wie die Maurer.«
    Bastian nickte ihm unsicher zu, deutete auf seinen schwarzen Anzug und fragte: »Jemand gestorben?«
    »Nein, nein«, sagte Otto, »alle sind gesund und munter.«
    Sie aßen eine Weile schweigend. Niemand im Saal beachtete sie jetzt noch.
    Otto kratzte die Reste der Soße auf seinem Teller zusammen und stopfte sich das letzte Kartoffelstück in den Mund. Er zückte ein Taschentuch und wischte sich den Mund ab. Leise sagte er: »Ein Koffer ist für Ossendorf, für die Flakstellungen am Militärring und die Flakkaserne. Macht nicht alles auf einmal. Und vor allem, geht in unregelmäßigen Abständen hin. Für den Rest werdet ihr eine sinnvolle Verwendung finden. Macht nur keine Dummheiten. Lasst euch also nicht erwischen. Aber was rede ich. Ihr seid ja keine Anfänger.«
    Er erhob sich, nahm seinen Hut, legte ihnen die Hand auf die Schulter und verschwand.
    Hotte erwartete sie bereits am Ausgang. Sie wechselten sich mit den Koffern ab. Fünf Kilometer bis zur Gärtnerei – kein Pappenstiel an einem sonnigen Herbstnachmittag. Schweigend gingen sie nebeneinander her und versuchten, lässig zu wirken. In jedem Passanten, der sie anschaute, konnte ein Gestapospitzel stecken. Als sie von der Innere Kanalstraße auf die Stolberger Straße abbogen, stellte Bastian seinen Koffer auf den Gehsteig.
    »Nie wieder«, funkelte er Paul an und stieß ihm die flache Hand gegen die Schulter, »mach das nie wieder. Beinahe wäre mir das Herz in die Soße gerutscht. Deine Nerven möchte ich haben. Ich meine die Nummer mit dem Geld. Mensch, da wimmelt es doch nur so von Spitzeln. Und unsere Devise ist doch: Nicht auffallen .« Und dann nahm er Paul in den Schwitzkasten, bis der keine Luft mehr bekam und sie sich schließlich vor Lachen kaum halten konnten. Und nicht nur, weil das Kleingeld in Pauls ausgebeulter Jackentasche klimperte.
    Hotte saß dabei auf den Koffern und behielt alles im Blick. In der Gärtnerei schoben sie die Koffer zwischen die Strohballen, deckten alles sorgfältig ab. Dann saßen sie in der Nachmittagssonne und sahen zu, wie das Wasser auf dem Spirituskocher heiß wurde. Das Radio spielte leisen Swing. Sonst war es still.
    Paul fand

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