Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
Klapproth?«, fragte Doris.
»Der plant Razzien und stellt Verhaftungslisten auf. Er verlässt sich auf seine Verhörmethoden. Das wird nicht viel nützen. Das scheucht diese Bande nur auf. Ich würde es gerne mal wieder mit guter, alter Polizeiarbeit versuchen.«
»Haben Sie denn eine Spur?«
»Bis jetzt noch nicht, Doris. Aber Sie sitzen doch hier in der Telefonzentrale an der Quelle. Ich dachte mir, wenn Sie sich einfach mal umhören, bei Ämtern, Behörden, Polizeistationen. Vielleicht bringen Sie etwas in Erfahrung, was mit dem Namen oder dem Rucksack zu tun hat. Lassen Sie Ihre Verbindungen spielen. Fragen Sie nach einem Stern, dessen Vornamen mit P anfängt und der ein Pferd besitzt. Ich werde mich mal in die Kartei verkriechen. Wenn es P. Stern wirklich gibt, kriegen wir ihn.«
»GUTEN MORGEN«,
GRÜßTE
BASTIAN am Morgen nach der Flugblattaktion in bester Laune seine Kollegen bei Ford. Es war noch eine halbe Stunde vor Schichtbeginn.
Und schon hatte er Frericks im Nacken. Der haute ihm die Zeitung von heute um die Ohren und brüllte: »Heil Hitler heißt das, Frei!«
»Pass auf«, flüsterte Jupp Jablonski, »der hat schon auf dich gewartet.«
»Ich höre nichts, Frei. Noch einmal: Heil Hitler!«
»Heil Hitler«, brüllte Bastian.
Frericks’ Stimme wurde gefährlich ruhig, als er betont langsam sagte: »Oberkommissar Ziegen, du erinnerst dich an ihn, Frei? Er interessiert sich für dich.« Er drehte die Zeitung so, dass Bastian Man sollte sie aufhängen deutlich lesen konnte. »Hier. Ein Foto von ihm. Und wenn der dich auf dem Kieker hat, Frei, dann bist du nicht so harmlos, wie du immer tust. Ich habe ihm gesagt, ich wüsste nicht, was du in deiner Freizeit treibst, aber ich wüsste wohl, dass du schon an drei Samstagen nicht mehr bei der Werks- HJ gewesen bist. Oder hat einer von euch den da gesehen?« Er grinste zu den anderen hinüber.
Bastian war zusammengezuckt. Die anderen bildeten einen Halbkreis um Frericks und ihn. Bastian suchte in ihren Gesichtern nach Unterstützung. Doch da war nichts. Deutliches Desinteresse, Schadenfreude. Ganz im Sinne von Frericks. Nur Jablonski saß auf der Bank vor seinem Spind und schnürte die Stiefel.
Hilfe suchend schaute Bastian hoch zur Empore, zu Mahlmanns Büro. Frericks folgte seinem Blick und grinste. »Sieht so aus, als käme heute keine Rettung von oben.« Dann drehte er seinen Kopf theatralisch von rechts nach links, spähte in alle Richtungen, um sich dann wieder Bastian zuzuwenden. »Tja, Bürschchen, scheint so, als ob du heute ganz allein wärst. Verstehe sowieso nicht, was Mahlmann an dir findet. Die Prüfung vorziehen, so ein Versager wie du.«
»Das mit den Samstagen kann ich erklären ...«, begann Bastian. Seine Stimme klang dünn.
Frericks fuhr mit schneidender Stimme dazwischen. »So. Kannst du? Ich will aber deine Scheißerklärungen nicht hören.« Breitbeinig, die Hände auf dem Rücken, stand er vor ihm.
Frericks brüllte nicht nur gerne und leidenschaftlich. Er duldete auch keinen Widerspruch. Kein Nein. Kein Aber. Also schwieg Bastian.
Aus der Halle drang Maschinenlärm. Die Werkssirene würde gleich losheulen. Dann begann ihre Schicht.
Aber es war nicht die Sirene, die Bastian rettete. Jablonski kam, legte ihm betont ruhig die Hand auf die Schulter und sagte für alle hörbar: »Von dem Gebrülle hier kriegen wir keine Halterung geschweißt. Komm, Junge. Wir müssen an die Arbeit. Strammes Programm heute.« Mit diesen Worten schob er Bastian in Richtung Halle.
»Moment mal«, knurrte da Frericks, »du hältst dich wohl für unentbehrlich, Jablonski? Der Bengel gehört mir.«
»Ihnen? Noch sind wir hier bei Ford« , rief der zurück.
Einige ältere Kollegen kamen näher. Bastian kannte sie. Von denen war keiner in der Partei. Das konnte seine Rettung sein.
»Dir werde ich noch Flötentöne beibringen, Jablonski«, fauchte Frericks da und stemmte die Arme in die Hüfte. Dann musste er aber zusehen, wie Jupp Jablonski Bastian endgültig vor sich her aus der Halle schob.
»Diese Unverschämtheit wird dich teuer zu stehen kommen. Ich trage eine deutsche Uniform.« Frericks schrie, war rot angelaufen. Er starrte Jablonski hinterher.
»Dann pass auf, dass sie nicht dreckig wird, Frericks«, rief Jupp Jablonski zurück.
Die Sirene heulte. Bastian atmete tief ein, wagte aber noch nicht, Jablonski anzuschauen.
Sie begannen stumm ihre Arbeit. Jupp schnitt Gewinde. Bastian legte die Schablonen und riss die Markierungen an.
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