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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Bild hing schief. Es war warm hier. Richtig kuschelig, fand Bastian.
    »Frei. Ich habe dir mitzuteilen, dass dein Vater für Führer, Volk und Vaterland gefallen ist. Er starb einen ehrenvollen Tod.« Und mit einem Grinsen fügte er hinzu: »So ist am Ende doch noch was aus ihm geworden.«
    Bastian Frei sprang mitten hinein – in dieses Grinsen.
    Mitten hinein – in dieses Gesicht.
    Und schlug zu.
    Er schlug weiter, schlug um sich.
    Bis ihm schwarz wurde vor Augen.
    Bastians Kopf dröhnte. Er rang nach Luft. Ein Lichtstrahl tanzte durch die Dunkelheit. Einen unendlich langen Moment brauchte er, um herauszufinden, wo er war. Er lag in einem Kellerloch auf einer Holzpritsche. Er hatte keine Decke und fror.
    Er war also nicht gestorben. Es war kalt und feucht. Die Leuchte beruhigte sich nicht. Sie flackerte. Wenn er die Augen geschlossen hielt, zitterten seine Augenlider wie das Licht. Bastian befühlte seinen Kopf, tastete nach der Beule an seinem Hinterkopf. Er war nicht ertrunken. Er atmete, lebte.
    Er hatte geträumt, er sei geschwommen. Das Wasser war kalt und unglaublich blau. Über ihm klarer Himmel. Ein Himmel, der nur aus Licht bestand. Jemand rief seinen Namen. Er drehte, versuchte, zu dem Rufenden zu schwimmen. Doch etwas hielt ihn zurück und zog ihn hinab. Es wurde stärker, war wie ein Strudel, es sog und zog. Er zappelte und drehte sich um die eigene Achse. Versuchte wenigstens, an der Oberfläche zu bleiben. Er schaffte es nicht. »Schaffte es nicht. Schaffte es nicht.« Eine Stimme rief es, eine laute, hallende Stimme. In einer unendlichen Weite. Und dann zog es ihn – tief hinab ...
    Und Bastian erinnerte sich.
    Sein Vater war tot.
    Und er hatte um sich geschlagen.
    Danach der Traum: Die Stimme rief.
    Und er wurde nach unten gezogen ...
    Vorsichtig umklammerte er seine Knie, presste sie eng an seinen Körper, krümmte den Rücken, rollte sich ein. So blieb er liegen.
    Sein Vater war tot.
    Und jetzt rief die hallende Stimme: »Tot, tot, tot ...«
    Es wurde hell. Und es wurde dunkel.
    Tag und Nacht.
    Sein Vater war tot.
    Am zweiten Tag holten sie ihn und verdroschen ihn mit einem Gummischlauch. Sie achteten darauf, nicht sein Gesicht zu treffen, warfen ihn zurück in das dunkle Loch. Bastian rollte sich zusammen.
    Am dritten Tag erhielt er einen Reiseschein und sein Gepäck. Am Schlagbaum zeigte ihm jemand die ungefähre Richtung nach Köln. Er durfte nach Hause, musste aber zu Fuß gehen. Das teilten sie ihm höhnisch mit. In Köln sollte er sich unverzüglich in seinem Betrieb melden.
    Als er beim Weggehen auf die Uhr schaute, stand der Zeiger auf zwölf.
    Über ihm war grauer Himmel. Der Weg führte bergab, steil und kurvenreich.
    Man muss nach vorne sehen, einen Fuß vor den anderen setzen. Das hatte sein Vater gesagt. Und er ging und ging im Rhythmus dieser Worte.
    Vor Bastian lag das breite Rheintal. Der Weg machte nun einen sanften Bogen und wurde zu einer Landstraße. Steinchen, Rollsplitt, ein platt gefahrener Frosch. Verwehtes Laub. Wintertrockenes Gras. Er folgte dem dunklen Band der Straße und lief lange Stunden ohne Pause.
    Seine Schritte blieben gleichmäßig. Er hatte richtig Lust, einfach nur zu gehen, ohne einem Befehl zu folgen oder sich unter einer Schikane wegducken zu müssen. Er summte sogar ein Lied. Wanderlust hatte sein Vater das genannt. Bastian musste lächeln. Ja, er war mit Vater gewandert. Aber Wanderlust war ein komisches Wort. Heimatlos, dachte er da auf einmal. Das war auch so ein Wort, das sich plötzlich in seinem Kopf breitmachte.
    Und da war noch etwas. Heimweh. Heimweh nach dem Blauen See. Nach den Felsen, wo der Wald anfing. Nach den Höhlen, den einsamen Plätzen. Nach den Wiesen, auf denen sie gezeltet hatten, und den glühenden Lagerfeuern. Bastian erinnerte sich an das Stimmengewirr, das Lachen. An ihre Lieder. Die Lagerfeuer. Da tanzte niemand nach des Führers Pfeife.
    Seine Schritte waren immer noch gleichmäßig.
    Er dachte an Elli, Mutter und die Oma.
    War das Heimweh?
    Das Gehen brachte seine Gedanken in Schwung. In letzter Zeit hatte er oft an seinen Vater gedacht, öfter als je zuvor. Bastian schob es darauf, dass er älter geworden und immer häufiger in Schwierigkeiten geraten war. Das verband ihn mit seinem Vater. Aber es war noch mehr.
    Zuversicht, Schutz, Trost. Bastian glaubte, während ihm auf der Straße nach Euskirchen der kalte Wind ins Gesicht blies, dass diese drei Worte es am besten trafen, was er an seinem Vater gehabt hatte.
    Auf ihren

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