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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Bauch des Schiffes.
    »Wenn du spurst, hast du hier kein schlechtes Leben.« Der hagere Mann in grauem Kittel und derben Stiefeln musterte Bastian ausdruckslos. »Die Drecksarbeit machen die da.« Er zeigte zu den Arbeitern hinüber. »Fast nur Russen, ein paar Polen. Slawen. Untermenschen. Du verstehst? Oder brauchst du auch auf dem Gebiet Nachhilfe?«
    Bastian verstand nichts, wollte auch nicht verstehen. Er unterbrach das Fegen und stützte sich auf den Besenstiel.
    »Feg gefälligst weiter«, raunzte ihn der Kittel an. »Rumstehen ist hier nicht angesagt. Sieh zu, dass du in Bewegung bleibst. Ich weiß über dich Bescheid. Du bist ein Arbeitsbummelant und Herumtreiber. Ein Schläger. Das soll mich aber nicht interessieren. Hier wird getan, was ich sage. Wenn mir deine Visage nicht mehr passt, jage ich dich zum Teufel. Kapiert?«
    Bastian nickte und schob den Besen über das Pflaster, fühlte plötzlich ein Flattern in seinem Bauch: Angst. Seine Müdigkeit war verflogen. Kam sie jetzt wieder, die Angst? Er fegte sofort mit Kraft dagegen an.
    »Gutes Tempo«, sagte der graue Kittel und folgte dem Besen. »Ich freue mich über jeden, der Deutsch spricht und Deutsch lesen und schreiben kann. Was dir fehlt, bringen wir dir schon noch bei, Bürschchen.«
    Er zeigte auf die Arbeiter und sagte: »Komm denen nicht zu nahe. Keine Gespräche, keine Verbrüderung oder irgend so ein Mist. Da verstehe ich keinen Spaß.« Der Mann legte ihm plötzlich die Hand auf die Schulter. »Morgen früh kommst du eine halbe Stunde früher. Dann erkläre ich dir, worum es hier geht. Ist nicht weiter schwierig. Und sieh zu, dass du pünktlich bist. Und ausgeschlafen. Mach weiter.«
    Bastian sah Jupp Jablonski aus dem Hallentor kommen und zu den Gleisen und den Waggons gehen. Er hatte ein Klemmbrett in der Hand und blätterte in Papieren. Dann malte er mit Kreide Buchstaben und Zahlen auf Kisten und gab Anweisungen. Jablonski hatte zu ihm herübergesehen und keine Miene verzogen. Die Werksirene heulte auf. In der Produktion und in den Werkstätten war jetzt Schichtwechsel. Bastian hatte noch zwei Stunden vor sich.
    Nach diesen beiden Stunden saß er auf der Pritsche vor seinem Spind. Jablonski setzte sich neben ihn.
    »So sieht man sich wieder, Bastian«, flüsterte er. »Nimm es mir nicht übel, aber irgendwie freue ich mich. Hüte dich vor dem Vorarbeiter. Der ist hier selbst auf Bewährung. Wir müssen uns unterhalten. Ich habe Pläne. Nur kann ich alleine nichts ausrichten.«
    »Das kann niemand, Jupp. Sind wir alleine, machen uns die Nazis zur Sau.«
    Jupp ballte die Hand zur Faust. »So ist es, Mann. Aber lass die Ostarbeiter in Ruhe. Die haben es echt schwer. Mit denen dürfen wir auf keinen Fall rechnen.«
    Bastian nickte. »Also, was machen wir?«
    »Ich gehe am Samstag nach der Schicht erst einkaufen in der Venloer Straße. Danach können wir uns in der Kneipe treffen.«
    Bastian verstand das als Einladung. Übermorgen war Samstag. Ein Silberstreifen am Horizont. Ginge es nach ihm, könnte es sofort losgehen.

    EIN
    LASTKAHN
    LAG vertäut mit weit geöffneten Ladeluken am Kai. In der Kajüte brannte Licht. Über dem Wimpel der Reederei Stinnes flatterte die Hakenkreuzfahne. An einem Poller lehnte ein Fahrrad. Auf der Merkenicher Straße bog ein mit Zementsäcken beladener Lastwagen ächzend auf das Werksgelände der Trierer Kalkwerke Niederrhein ab. Der Motor muckte unruhig auf, als der Fahrer einen Gang herunterschaltete. Es war kalt und der Wind frischte auf.
    Bastian stand frierend im Tor zur Halle A im dünnen Licht einer Bogenlampe und wartete auf den grauen Kittel. Er hatte die Arbeitskarte gestempelt und den Werkschutzmann gegrüßt, der die offenen Waggons an der Laderampe beaufsichtigte. In der Verladehalle war es ruhig. Irgendwo surrte eine Laufkatze und Ketten schlugen klirrend aneinander. Der Schichtwechsel stand bevor. Die Wachen holten die Ostarbeiter aus dem Barackenlager zur Ablösung. Jeden Morgen und jeden Abend das gleiche Ritual. Bastian rauchte eine Zigarette und stand sich die Beine in den Bauch. Hatte er sich dafür so beeilt? Ja, dachte er, für diese stille halbe Stunde und weil er keinen Ärger wollte. Aber der Kerl hatte ihn vergessen. Bastian sah hinunter zum Fluss und trat bibbernd von einem Bein auf das andere.
    Ein schnell fahrendes Binnenschiff stampfte stromabwärts. Der Bug teilte schäumend das Wasser und bildete ein V. Die Welle schlug schäumend gegen die Uferböschung. Eine Frau stand im

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