Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
Hakenkreuzbinde am Arm herum und sie ist Sekretärin in der Kreisleitung. Mit denen unter einem Dach, das halte ich keinen Tag aus. Paul darf unsere Möbel in der Gärtnerei einlagern.« Sie holte tief Luft, bevor sie weitersprach. »Ich möchte, dass du mitkommst.«
»Mama, du weißt genau, dass das nicht geht. Ich muss mich morgen bei Mahlmann melden. Die haben garantiert andere Pläne mit mir. Und wenn ich das nicht tue, bin ich tot. Die kriegen mich, darauf kannst du wetten.«
Ein Schluchzen schüttelte Bastians Mutter, doch sie riss sich zusammen, als sie Elli in der Tür stehen sah. Verschlafen und mit wirren Haaren, Herrn Wutz fest an sich gedrückt, schlich sie in die Küche. Bastian zog sie zu sich auf den Schoß. Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust, bereit, sofort wieder einzuschlafen.
»Hallo, meine kleine Große.« Bastian strich ihr über das schlafzerzauste Haar.
»Mama hat gesagt, wir besuchen Tante Anni auf dem Bauernhof«, murmelte sie und gähnte schlaftrunken.
»Ja, Elli. Das wird bestimmt schön. Sie hat Katzen und Schweine.«
»Kommst du mit?«
»Ich komme nach. Versprochen.«
Er wiegte Elli in seinen Armen, und als er glaubte, sie sei wieder eingeschlafen, fragte sie auf einmal: »Bastian, war das der Wolf? Hat er Papa gefressen?« Sie richtete sich hoch auf, schaute ihn jetzt mit fragenden, traurigen Augen an.
»Ja, Elli. Die Männer, die das getan haben, sind Wölfe. Aber ich werde dafür sorgen, dass sie Steine in den Bauch bekommen. Du erinnerst dich doch noch an das Märchen?«
Elli gähnte und kuschelte sich in Bastians Arme. »Ja. Das mit den Steinen machst du zusammen mit Paul, oder? Wie viele Steine habt ihr denn schon für den fiesen Wolf? Bei hundert, da stirbt der bestimmt.«
»Hundert haben wir noch nicht, aber schon ’ne Menge. Doch es sind noch zu wenige ...«
»Dann helfe ich euch.«
Bastian trug sie in ihr Bett. Er blieb in der Tür stehen.
»Kannst du meinen Leuten Bescheid geben, dass ich wieder hier bin, Mutter? Ich meine Hotte, Franzi, Paul. Du weißt schon.«
»Ich treffe Hotte sicher in der Straßenbahn und Paul kommt wegen der Möbel vorbei. Er bringt uns Lebensmittel. Jeden Sonntagabend. Paul gibt uns das Geld für die Fahrkarten. Ich weiß nicht, ob wir das annehmen können.«
»Das musst du sogar. Ihr müsst hier weg, bevor es zu spät ist.«
»Setz dich noch einen Moment zu mir, Bastian.« Sie deutete auf den Stuhl und strich mit der Hand über das Tischtuch.
»Mama, wir können morgen weiterreden. Ich will nur noch schlafen. Keine Ahnung, wie ich morgen überstehen soll.«
»Was ich dir zu sagen habe, hat aber keine Zeit bis morgen. Setz dich. Trink noch einen Tee mit mir. Lass uns warten, bis Elli schläft. Bitte.«
»Sie schläft längst wie ein Stein. Was gibt es so Wichtiges?« Bastian konnte sich nicht erinnern, jemals so müde gewesen zu sein. Er spürte jeden einzelnen Knochen.
»Ich mache es kurz. Die Gestapo hat Billi geschnappt. Sie haben sie abgeholt«, sagte seine Mutter.
»Wie abgeholt? Warum? Wobei geschnappt?« Ausgerechnet Billi, dachte Bastian. Warum gerade sie?
»Ich verstehe das nicht, Mutter. Billi war immer sehr vorsichtig. Sie hat sich nie auf wirklich gefährliche Unternehmungen eingelassen. Was ist passiert?«
»Sie ist spurlos verschwunden. Hotte hat herausgefunden, dass sie von der Gestapo im Krankenhaus verhaftet wurde. Niemand weiß, was ihr vorgeworfen wird. Sie ist einfach weg. Deine Freunde glauben, es hat mit Zack zu tun und mit seiner Mutter. Die Gestapo hat sie erpresst. Sie durfte ihn nur beerdigen, wenn sie über die Edelweißpiraten aussagte.«
»Zacks Mutter! Wie kann die Frau nur zur Gestapo rennen.« Er war aufgesprungen und begann herumzugehen. Ihm war, als stünde er unter Strom. »Ist die völlig verrückt geworden. Und ausgerechnet Billi. Sie weiß alles. Die Papiere für Paul, das war ihre Idee. Sie war dabei, als wir Lebensmittel organisiert haben. Wenn die Gestapo sie fertigmacht ...« Bastian stöhnte auf.
»Leise, Bastian. Dass du dich so aufregst, ändert auch nichts mehr. Paul ist noch nicht verhaftet worden. Und das ist doch die Hauptsache. Solange er frei ist, hat sich doch nichts geändert. Du musst mit Paul reden. Ihr müsst euch treffen. Wenn ihr euch nicht absprecht, wenn ihr nicht zusammenhaltet, dann kriegen sie euch alle. Setz dich wieder hin und benutze deinen Verstand.«
Seine Mutter hatte natürlich recht. Paul war frei. Das war das Wichtigste. Die Gestapo wusste überhaupt
Weitere Kostenlose Bücher