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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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es genau anstellen soll. Mir geht es auch darum, dass die Ostarbeiter nicht dafür verantwortlich gemacht werden können. Wenn es so weit ist, Bastian, bist du dann dabei?«
    »Langsam, Jupp. Ich muss erst ein paar von meinen Problemen lösen. Meine Familie muss raus aus Köln. Dann bin ich dabei. Erzähl mir lieber vorher nichts. Wer weiß, was passiert.«
    »Dich haben sie ganz schön in der Mangel gehabt, was? Aber du hast natürlich recht. Dein Vater ist tot. Er war im Lager. Ich habe davon gehört. Ich kenne eine Menge Leute, die gerne von deinem Vater erzählen. Wie geht es dir damit?«
    Bastian schluckte. »Ich komme klar. Ich kann mich nicht an vieles erinnern, was meinen Vater betrifft, aber ein paar Geschichten gehen mir nicht aus dem Kopf, und diese besonders: Ich hatte mich geprügelt und was auf die Nase gekriegt. Jemand hatte es auf mich abgesehen. Da hat mein Vater mich an sich gedrückt. Er hat mir gesagt, dass ich, wenn ich Angst habe oder Schmerzen, mich nicht verstecken soll, sondern ich soll allen diese Angst, diese Schmerzen zeigen. Mein Vater sagte, wenn sie das sähen, würden sie mich in Ruhe lassen. Jeder Mensch würde das tun. Das sei eine allgemeine menschliche Verhaltensweise, so eine Art Mitgefühl.
    Aber bei den Nazis gilt das nicht mehr. Die hauen drauf. Aus Hass? Oder aus Liebe zum Führer? Aber das wusste mein Vater damals noch nicht. Jetzt haben sie eine Freundin von mir geholt. Die Gestapo hat sie einkassiert. Am helllichten Tag an ihrem Arbeitsplatz im Krankenhaus. Wahrscheinlich ins EL-DE- Haus verschleppt. Seit Tagen ist sie verschwunden. Vielleicht beißen sie sich an ihr die Zähne aus. Wahrscheinlicher ist, dass die Gestapo sie zum Reden bringt. Wenn die einen foltern, dann geht nichts mehr. Dann bettelst du fast darum, endlich reden zu dürfen. Nee, Jupp. Für mich gibt es kein Zurück.«
    Jupp schaute ihn an, aber Bastian wich seinem Blick aus.
    »Du bist also auch so ein sturer Kopf. Immer gegen die Wand.«
    »Nein, Jupp. Gegen die Nazis und durch die Wand.«
    Bastian stand auf und drückte sich vom Tisch ab. Es war Zeit zu gehen. Morgen war Sonntag. Da konnte er einmal wieder ausschlafen und mit Elli spielen. Mit seiner Mutter sprechen musste er sowieso. Die sollte endlich weg, ihre Reise nach Pfronten wahr machen. Abends würde er sich mit Paul treffen.
    Bastian schloss seine Jacke und nickte Jupp zu. »Du kannst dich auf mich verlassen, Jupp. Ich bin dabei. Egal, was du machst. Aber lass mich zuerst meine Familie versorgen.«

    DAS
    ERSTE
    TAGESLICHT kroch in den Pferdestall. Paul erhob sich langsam, schob die Beine aus dem Bett und setzte sie auf die kalten Bodenbretter. Er gähnte und konnte seinen Atem sehen.
    Er schlüpfte in das langärmelige graue Unterhemd. Die Hose lag zerknüllt auf dem Stuhl. Er schüttelte sie aus und zog sie an, stopfte das Hemd in die Hose, streifte die Hosenträger über die Schulter und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Dann pulte er die Wollsocken aus seinen Stiefeln und hielt vorsichtig schnüffelnd die Nase daran. Er schüttelte sich, zwang seinen linken Fuß in die Socke und betrachtete den großen Zeh, der ihn durch ein Loch anblinzelte. Der andere Strumpf war in keinem besseren Zustand. Aber die Stiefel waren dicht und warm.
    Trotz der Kälte wollte er sich jeden Morgen die Zähne putzen und sich rasieren. Auch wenn das Messer stumpf war und er erst ein Loch in das Eis auf der Wassertonne schlagen musste.
    Danach ging er Hennes füttern und striegeln. Es hatte lange geregnet. Der Hof war aufgeweicht und der lehmige Matsch schwappte unter seinen Füßen. Jetzt fiel Schneeregen. Die Pfützen auf dem Hof schimmerten eisig.
    Paul stocherte in der Glut unter dem Bottich im Schweinestall an, warf ein Holzscheit darauf, streute den Hühnern Futter hin und nahm ihnen ein paar Eier weg.
    Er brachte Hennes einen Eimer angewärmtes Wasser und achtete darauf, dass er nicht zu hastig soff. Dann ließ er das Pferd fressen. Er plauderte mit ihm, erzählte ihm von seinen Plänen, während er das gescheckte Fell bürstete, bis es seidig schimmerte. Hennes grunzte zufrieden, als Paul ihm eine Pferdedecke über den Rücken warf.
    Er rührte sich eine Milchsuppe aus Trockenmilchpulver, Wasser, einem ordentlichen Schuss Kondensmilch und Haferflocken zusammen. Zum Süßen kratzte er einen Rest Rübenkraut aus dem Einmachglas. Obendrauf kam ein fetter Klacks Marmelade. Er dachte daran, sich eine Kippe anzuzünden. Die Packung von gestern war so gut

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