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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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fällt die Mittagspause aus und die Russen kriegen Ärger. Kapiert?«
    Die Mittagspause fiel aus. Bastian brauchte einige Zeit, bis er das Ordnungssystem in der Lagerhalle begriffen hatte. Seine Russen arbeiteten verbissen, mit gesenktem Kopf. Bastian versuchte ein Lächeln, wies mit dem Zeigefinger auf sich und sagte: »Bastian.« Sie überhörten es. »Kein Ärger«, murmelte einer und sah ihn feindselig an. Sie sagten »Kapo« zu ihm.
    Dauernd stand ihnen ein Werkschutzmann auf den Füßen und kontrollierte. Bastian schluckte alles.
    Um sechs Uhr abends hockte er müde und hungrig auf der Pritsche und zog sich um. Er war dreckig und verschwitzt. Es gab keine Duschen. Hier gab es eigentlich nichts. Nur Maloche, Schinderei und Gebrüll. Jupp ging an ihm vorbei, streifte ihn leicht und kniff ein Auge zu. Bastian lächelte.

    JUPP
    JABLONSKI
    LECKTE sich den Schaum von den Lippen und der Wirt stellte zwei weitere frisch gezapfte Kölsch auf den Tresen. Am späten Samstagnachmittag, nach Schichtende in den Betrieben rund um die Venloer Straße, füllte sich die kleine Eckkneipe. Tabakqualm hing in der Luft.
    »An meinen ersten Tagen im Osteinsatz«, sagte Jupp, »habe ich allen Ernstes daran gedacht, mich lieber freiwillig zur Front zu melden. Jeden Tag in dieser Tretmühle habe ich verflucht. Und dabei geht es uns Ariern ja noch gold. Die Ostarbeiter sind wirklich beschissen dran. Nicht genug zu essen, erbärmliche Kleidung. Mit dreihundert Mann hocken sie abends in ihrer Baracke um einen Bollerofen herum und versuchen, ein bisschen Wärme für sich zu ergattern. Für Kleinigkeiten werden sie hart bestraft. Die sehen nur noch zu, dass sie durchkommen. Nur nicht auffallen. Immer nur den Kopf einziehen. An die zweitausend Mann arbeiten hier im Werk. Männer aus Polen, Russland, der Ukraine. Es gibt auch Frauen im Lager. Und Kinder. Du kannst es dir nicht vorstellen.«
    Jupp schob die leeren Gläser über den Tresen und nickte dem Wirt zu. Der füllte die Gläser und warf ihnen einen argwöhnischen Blick zu. Bastian war klar, dass sie auffielen. Das lag nicht an der Geschwindigkeit mit der Jupp Jablonski den Inhalt der Biergläser vernichtete. Es lag daran, dass sie flüsternd die Köpfe zusammensteckten, während sich um sie herum Feierabendlaune verbreitete.
    »Ich habe dich gestern Morgen gesehen, Jupp«, flüsterte Bastian. »Dich und wie diese Kiste in den Rhein plumpste.«
    Jupp lachte leise. »Ich weiß, ich habe dich auch gesehen und mir deinetwegen keine Sorgen gemacht. Dass du mich verpfeifst, kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Nein, Jupp. Ganz sicher nicht. Aber was bringt das? Wenn die dich schnappen?«
    »Das Ding ist eigentlich wasserdicht.« Jupp lachte tonlos über seinen ungewollten Witz und blinzelte in sein Kölsch.
    »Morgens beim Zählappell ist die ganze Wachmannschaft auf den Beinen und im Barackenlager. Diese ganze Abzählerei, das hält auf. Das Tor zum Werk öffnet sich erst, wenn alle vollzählig sind. Es gibt Krankmeldungen und sterben tun auch genug. Jeden Morgen fehlen welche: Kein Wunder bei dem Leben, das die haben.«
    »Und was schmeißt du da weg?« Bastian war jetzt neugierig.
    »Was mir in die Hände fällt. Ist so eine Art Frühsport geworden. Zuerst hatte ich Skrupel, dachte an die Soldaten an der Front und daran, dass ihr Leben vielleicht von den Ersatzteilen abhängt. Das ist mir aber mittlerweile vollkommen egal. Ich tue nichts, was unsern obersten Verbrecher seinen Krieg auch nur einen Tag länger führen lässt. Das kannst du mir glauben.«
    Der Platz um die Theke wurde knapp. Es war laut. Bastian gelang es, Jupp von der Theke wegzuziehen. Der Tisch in der Ecke neben der Toilettentür war frei geworden.
    »Ich kann die Nazis nicht aufhalten«, sagte Jupp und zog den Stuhl näher an den Tisch. »Aber ich kann sie ärgern und ihnen jeden Tag beweisen, dass nicht jeder Deutsche hinter ihnen steht. Ich kann dafür sorgen, dass diese Kriegsmaschine nicht wie geschmiert läuft. Jeden Tag machen wir uns mitschuldig. Ich helfe ihnen, Waffen zu bauen, und sehe zu, wie sie die Ostarbeiter wie Sklaven halten und für sich schuften lassen. Wir sind auch nur Rädchen in ihrem Getriebe. Aber ich will das Rädchen sein, das nicht rundläuft. Ich will nicht, dass sie diesen Krieg gewinnen.«
    Jetzt war der Kellner für sie zuständig. Bastian legte seinen Deckel auf das Glas. Er hatte genug.
    »Ich denke darüber nach«, begann Jupp, »den Nazis richtig wehzutun. Ich weiß noch nicht, wie ich

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