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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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es losgehen. Auf ins EL-DE- Haus. Ich habe heute noch eine Beerdigung. Verdienter Volksgenosse. Er war Blockwart in Bilderstöckchen. Ist verunglückt. Ich glaube, die Kellertreppe runtergefallen. Wahrscheinlich besoffen. Kannten Sie ihn? Den würde ich ungerne warten lassen.«
    Der Größere zog die Hände aus der Manteltasche. Scheinbar gut gelaunt legte er Paul eine Hand auf die Schulter. »War nicht so gemeint, Peter König. Unser Beruf ist, wie soll ich sagen, manchmal eine schwierige Angelegenheit. Und mein Kollege ist wirklich sehr pflichtbewusst.«
    Paul versuchte, die Hand loszuwerden. Aber der Gestapomann hatte ihn fest im Griff. Paul verstand: Bis hierher und nicht weiter.
    »Nein, nein«, sagte er deshalb. »Ich bin auch etwas gereizt. Mein Fehler.«
    »Also«, sagte der Mann gedehnt und nahm die Hand weg. »Jetzt können wir.«
    Paul gab Hennes einen Klaps und beeilte sich, mit festem Schritt über den Hof zu kommen.
    »Wer aus meiner Familie ist gekommen?« Statt einer Antwort gingen sie nur stumm hinter ihm her. Paul winkte lächelnd zur Binderei hinüber. »Bis gleich«, rief er. »Vielleicht bringe ich Besuch mit.«
    »Ich freue mich«, rief Franzi.
    Auf dem Weg von der Gärtnerei zum EL-DE- Haus sprachen sie kein Wort. Paul war froh, dass er nicht sprechen musste. Im Kopf ratterte seine Geschichte in unterschiedlichsten Varianten. Was würden sie fragen? Wie würde sie ihm begegnen? Seine zitternden Hände steckte er in die Manteltaschen. Gelegentlich spürte er den gleichgültigen Blick des Fahrers im Rückspiegel. Paul schaute aus dem Fenster auf das zerbombte Köln, über das der Schnee eine freundliche Decke gelegt hatte.
    »Auf zur Familienzusammenführung«, sagte der Beifahrer, als sie am Appellhofplatz ausstiegen. Sie eskortierten Paul durch die Halle eine Treppe hinauf, klopften an eine Tür und schoben Paul nach einem deutlich vernehmbaren »Herein« in das Zimmer.
    Ziegen stand mit dem Rücken zur Tür am Fenster und sah auf den Platz hinaus. Unnötigerweise stellte er sich vor und wies Paul an, sich zu setzen. Paul nahm die Hacken zusammen und hob die Hand.
    »Heil Hitler, Herr Oberkommissar.« Dann trat er vor, gab Ziegen die Hand und deutete einen Diener an.
    »Peter König«, sagte der betont freundlich. »Du fragst dich wahrscheinlich, warum du hier bist.«
    Paul wartete ab, sagte nichts, zuckte nur mit den Schultern.
    Ziegen sah ihn eindringlich an. »Du bist hier, damit wir herausfinden, wer du bist. Da sind einige Ungereimtheiten, die verstehe ich nicht. Peter König war auf dem Weg zur Napola in Bensberg und ist dort nie angekommen.«
    »Herr Oberkommissar. Ich dachte, ich finde hier eine Überlebende dieses schrecklichen Terrorangriffs auf Oberhausen. Aber ich verstehe, dass Sie Fragen haben. Ich war drei Tage verschüttet.« Paul beeilte sich und kramte Billis Krankenhauspapiere aus seiner Manteltasche. Ziegen warf nur einen flüchtigen Blick darauf.
    »Gut«, sagte Ziegen, »genau da fangen meine Fragen an. Das war bereits im Sommer. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass du zunächst in einem Schrebergarten gewohnt hast. Du hast dich um nichts gekümmert. Nicht um deine Familie und auch nicht um das eigentliche Ziel deiner Reise. Umgemeldet hast du dich erst im ...« Ziegen warf einen Blick in die Akte auf seinem Schreibtisch. » ... im Oktober. Nach deinen Eltern hast du in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal gesucht.« Ziegen ließ Paul nicht aus den Augen. »Dass sie tot sind, weißt du erst seit Kurzem. Du musst zugeben, das klingt alles etwas – verwirrend? Ich auf jeden Fall habe mich sehr gewundert, als ich diese Geschichte gehört habe. Wenn da mal nicht was faul ist, habe ich mich gefragt. Und – Peter König, was ist daran faul?«
    »Wenn ich gewusst hätte«, sagte Paul und blieb freundlich, »dass die Gestapo sich für meine privaten Dinge interessiert, wäre ich viel früher zu Ihnen gekommen.«
    »Die Aufgaben der Gestapo – nun, das ist ein weites Feld. Wir sind im Krieg. Da gibt es keine privaten Dinge. Und da haut man doch nicht einfach so ab. Da stellt man sich der Verantwortung. Muss ich das einem jungen Mann mit deiner Herkunft wirklich erklären? Private Dinge. Da kann ich nur schmunzeln.« Und Ziegen lächelte tatsächlich in sich hinein.
    »Sie haben natürlich recht. Es ist mir wirklich unangenehm, um nicht zu sagen peinlich. Ich wollte meinen Vater nicht enttäuschen. Er ist in der SS. Nein, er war in der SS. Der Führer und die Partei waren für

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