Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
ich dir.«
Auch Ziegen wünschte ihr eine gute Fahrt und schob Paul wieder nach oben in sein Büro.
»Sie ist nicht meine Tante«, sagte Paul, nur um etwas zu sagen, und weil er glaubte, es könne nicht schaden, ein Detail zu nennen.
»Bitte?« Ziegen sah ihn irritiert an.
»Sie, also Frau Osmann, ist nicht meine Tante. Sie war unsere Haushälterin und für mich Tante Martha.«
Ziegen schien daran nicht mehr interessiert zu sein. Er schloss die Tür und marschierte zum Schreibtisch. »Eine andere Sache, Peter.«
Ziegen setzte sich. »Ich weiß nicht, ob dir bewusst ist, mit welchen Burschen du dich da herumtreibst. Dafür hat die Gestapo keinerlei Verständnis. Die Edelweißpiraten stehen auf unserer Liste ganz weit oben. Die sind uns lange genug auf der Nase herumgetanzt. Also, warum machst du da mit?«
Paul schwieg und biss sich auf die Lippen.
»Du weißt es nicht? Dieses Mädchen – ist es das? Ich verstehe es nämlich nicht. Du und diese Edelweißpiraten? Peter König, was soll das?« Ziegen schüttelte den Kopf wie ein Mechaniker, der einen defekten Motor betrachtet. Er knallte die flache Hand auf den Tisch. »Ein paar Wochen Wehrertüchtigungslager werden dir guttun und dann meldest du dich freiwillig. Diese Gartenarbeit, das ist doch nichts für dich. Auf dich wartet ein tapferes Soldatenleben. Ein deutsches Heldenleben.«
Paul sah den Oberkommissar kaltblütig an. Bisher hatte er gewonnen. Rede du nur, dachte er. Quatsch dich mal so richtig aus. Er hatte längst seine Möglichkeiten im Kopf durchkalkuliert. Heldenleben? Mensch, Dickerchen, ich glaube, du hast sie nicht alle. Paul verbarg seine Gedanken hinter einem Lächeln.
»Was hat dich nur so aus der Bahn geworfen, mein Junge. Die Bomben? Aber das erleben wir doch alle. Das Mädchen?« Ziegen machte eine Pause und krauste die Stirn. »Eigentlich solltest du dankbar sein. Dankbar, dass wir dich wieder in die Spur bringen.«
Eigentlich? Was meinte Ziegen damit? Was wollte der denn jetzt noch von ihm?
Paul stand auf und zuckte mit den Schultern. »Machen Sie, was Sie wollen, Herr Sturmbannführer. Nett, wirklich nett, dass Sie sich so um meine privaten Angelegenheiten kümmern. Ihre Zeit ist kostbar und ...«
Ziegen fiel ihm ins Wort. »Nun mal langsam. Setz dich wieder! Na, mach schon.«
Paul blieb stur stehen.
Ziegen stand von seinem Stuhl auf und kam auf Paul zu, wobei ihm bei jedem Schritt das Hemd über dem Bauch spannte und die Knöpfe zu sprengen drohte. Ganz nah stand er nun vor ihm und sein Gesicht berührte beinahe das von Paul.
»Dann hör jetzt gut zu, Peter König. Ich habe mir Folgendes überlegt. Du arbeitest ab sofort für uns, für die Gestapo. Du besorgst mir die Informationen, die ich brauche. Als guter Nationalsozialist wirst du deine Pflicht tun. Hör dich um. Finde heraus, wer da mitmacht bei den Edelweißpiraten. Jungen, Mädchen. Namen, Kontakte. Was sie treiben. Vor allem möchte ich wissen, was sie planen. Auch, was in Köln vor sich geht. Kontakte zu den Ostarbeitern, so was interessiert mich.« Ziegen lachte rau, trat endlich einen Schritt zurück.
»Das kann ich nicht. Dafür fehlen mir die Nerven. Was ist, wenn die das rauskriegen?« Paul stotterte fast.
»Peter. Was ist, wenn die rauskriegen, dass du der Sohn eines SS-Mannes bist? Es wäre für uns ein Leichtes, das schnell in Umlauf zu bringen.« Ziegens Stimme hatte den Ton gewechselt, war jetzt schneidend scharf.
Mein Vater war ein jüdischer Kohlenhändler und er ist in einem KZ verreckt, du Arschloch!, hätte Paul am liebsten gebrüllt. Seine Wut half ihm, ernst zu bleiben in dieser absurden Situation.
»Ich soll Ihnen also berichten? Sie wollen, dass ich als Spitzel für Sie arbeite?« Paul stotterte immer noch, weil er nur langsam, sehr langsam diese Ungeheuerlichkeit begriff.
»Wo liegt das Problem? Wir wissen jetzt, wer du bist. Dein Denken wird sich in der kurzen Zeit wohl nicht so dramatisch verändert haben. Gefällt dir das Wort Spitzel nicht? Such dir ein anderes aus. Du sollst berichten, das ist alles.«
Er musste hier raus. Er musste den Dicken dazu bringen, ihn laufen zu lassen. Paul dachte nach und zuckte wieder nur mit den Schultern. Dann nickte er.
»Gut. Ich bin einverstanden«, sagte er schließlich.
»Dann fangen wir mal an.« Ziegen zog Paul hinter den Schreibtisch und deutete auf einen Stadtplan von Köln, der an der Wand hing. Stecknadeln mit unterschiedlich farbigen Köpfen waren über den ganzen Plan verteilt. Ziegens
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