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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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bin ich ihnen so wie jetzt, Single und alleinwohnend, sodass ich niemandem eine Erklärung schuldig bin, wenn ich für mehrere Tage verreise. Aber meine Exfrau deshalb kaltmachen? Um eine – sowieso völlig illusorische – Versöhnung zu verhindern? Nein, das kann ich mir absolut nicht vorstellen.
    Zudem würden sie sicher einen anderen damit beauftragen, wenn sie Leticia wirklich umbringen wollten, der sich dann auch einer der Vorgehensweisen aus Artikel 25 des Handbuchs (Tod durch vorgetäuschten Unfall) bedienen müsste.
    Nächster Punkt: Der Richter. Gaspar Beltrán ist wirklich eine erstklassige Zielscheibe. Doch auch hier gilt: Wenn sie wissen – und sie wissen es ganz bestimmt –, dass er mit meiner Ex zusammen ist, warum setzen sie mich dann auf ihn an? Ein schlechtes Gewissen oder aber die Freude darüber, es dem neuen Lover der Ex heimzuzahlen, können den besten Coup zum Scheitern bringen. Es sei denn, sie wollen, dass es wie ein Mord im Affekt aussieht und ich für schuldig befunden werde.
    Weiter im Text: Leticia hat das Auto verkauft. Jetzt gehört es Tony, der von einem unersättlichen Kompagnon bedroht wird. Schon möglich, dass sie nichts von unserer Kinderfreundschaft wissen. Ich habe nie ein Wort darüber verloren. Tony ist jedoch nur wegen seiner schlanken, gefährlichen Freundin hier, die riesige Brüste hat. Und ich könnte schwören, dass sie ursprünglich klein waren. Sehr klein.
    Fakt ist außerdem, dass sich hier irgendwo Beltráns Bodyguards rumtreiben müssen. Wer sind sie, und wie viele hat er?
    Jedenfalls werde ich mir jetzt noch einen Bourbon bestellen. Auf dem Campingplatz herrscht eine wohltuende Ruhe, und von diesem Tisch aus habe ich einen hervorragenden Überblick.
    Kommen wir zum nächsten Punkt.
    Es sind einfach viel zu viele Zufälle. Womöglich ist es eine Falle, und sie wollen in Wirklichkeit mich ins Jenseits befördern, denn umringt von meinen Kindern, meiner Ex und meinem Freund aus Kindertagen kann ich keine der Vorkehrungen treffen, die sie mir für Notfälle nahegelegt haben. Nur: Warum sollten sie mich kaltmachen wollen?
    Und schließlich ist es leider auch eine Tatsache, dass ich vor lauter Nervosität nicht bemerkt habe, dass ich schon eine ganze Weile mit meinem Handy herumspiele. Als es klingelt, zucke ich deshalb zusammen und schneide mir mit der scharfen Klinge fast ein Ohr ab, weil ich mechanisch die entsprechende Tastenkombination gedrückt habe.
    »Hallo, Nummer Drei«, begrüßt mich eine unbekannte Stimme.
    »Falsch verbunden«, erwidere ich, wie es das Handbuch in solchen Situationen vorsieht.
    »Warten Sie einen Moment!«, befiehlt mir da die Stimme, deren nüchterner, keinen Widerspruch duldender Tonfall mir auf einmal irgendwie vertraut vorkommt.
    »Hallo … Ah, jetzt geht’s. Hallo, Nummer Drei«, sagt fünf Sekunden später die Stimme, die sich nun wie die Frau anhört, die ich gut kenne. »Ich verbinde Sie mit Nummer Zwei.«
    Sicher benutzt die FIRMA irgendeinen hochtechnisierten Schallwandler, der ihre Stimme transformiert, je nachdem, mit welchem Killer sie gerade spricht. Und wahrscheinlich ist der zuständige Techniker gerade in Urlaub und wird von irgend so einem Stümper vertreten. Vor denen sind also nicht einmal die im organisierten Verbrechen tätigen Multis sicher.
    »Ich habe eine gute Nachricht für Sie«, erklärt mir Nummer Zwei mit phlegmatischer Stimme. »Die Operation wird verschoben. Nummer Dreizehn kommt nicht zum Einsatz. In ein paar Tagen können Sie abreisen.«
    »Und warum nicht gleich?«
    »Weil sie verschoben wird, nicht gestrichen. Sie observieren den ›Kunden‹, notieren alles, was Ihnen auffällt, und nächste Woche schicken Sie mir Ihren Bericht.« Er stockt, bevor er weiterspricht. »Und entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten. Von uns aus können Sie auch bis Monatsende auf dem FKK-Camping bleiben, schließlich haben wir ja alles schon im Voraus bezahlt. Ach ja, und die Operation wird Ihnen natürlich gutgeschrieben, so, als hätten Sie den Auftrag erfolgreich zu Ende geführt.«
    Er legt auf, ohne sich zu verabschieden.
    Erleichtert seufze ich auf. Niemand wird in der Nähe meiner Kinder zu Tode kommen. Ich muss nur die Zielscheibe zwei Tage lang beobachten und Nummer Zwei am Montag aus irgendeinem Internetcafé eine chiffrierte E-Mail schicken, in der für denjenigen, der die Sache irgendwann übernehmen muss, meine Beobachtungen aufgelistet sind. Danach kann ich unseren Urlaub ungestört genießen.
    Warum

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