Wir toeten nicht jeden
spurtet davon.
So banal ist das Glück.
So simpel.
So zerbrechlich.
Kaum ist die Tür ins Schloss gefallen, überkommen mich wieder die Zweifel. Sie stinken nach Verrat, sodass ich an meinen Fingern schnuppern muss, die noch nach Yolandas Geschlecht riechen, damit der Gestank verfliegt und ich fast unmerklich in den Schlaf hinübergleite.
Das ist eine weiterer Nachteil des Trainings: Ich brauche keine Uhr. Wenn mir nur eine Viertelstunde für ein Nickerchen bleibt, schlafe ich nicht eine Minute länger. Aber ich stehe noch nicht auf, weil ich mich noch nicht lösen kann von meinem Traum: Wir saßen in einer überdachten Galerie, die um einen großzügigen Innenhof herumführte, und irgendwo in der Nähe hörte man das Meer zornig aufbrausen, weil es nicht zum Fest eingeladen worden war. Wir: das waren Yolanda und ich, Camilleri, der in Wirklichkeit mein Vater war, so wie er aussehen würde, wenn er noch am Leben wäre; und Arregui mit seiner beziehungsweise meiner toten Claudia. Antonio spielte im Hof Fußball mit Tony, dem kein Auge und kein Bein fehlten; und kurz sah ich auch eine fast erwachsene, sanft lächelnde Leti, die im Traum genauso schön, aber natürlicher war als ihre Mutter im selben Alter. Um uns herum saßen auch noch andere Leute, schemenhafte Gestalten, deren Gesichter mir bekannt vorkamen und deren Münder mir zulächelten. Und auch die alte Nummer Drei saß an einem der Tische, an dem plötzlich gepokert wurde, er winkte mich zu sich, ein Spiel mit Freunden, er und ich gegen Camilleri und meinen Vater. Ich glaube, im Traum fragte ich die ehemalige Nummer Drei, wer die Gäste an den anderen Tischen seien, worauf er die Achseln zuckte und meinte, sie verschwinden nie ganz, aber man kann lernen, mit ihnen zu leben, und dann stören sie einen fast nicht mehr. Ich zählte die Schemen, es waren vierzehn, es waren meine Toten, aber die alte Nummer Drei lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Pokerpartie und erinnerte mich daran, als Erstes den Kopf zu benutzen, dann die Fäuste und erst zuletzt die Eier. Ich sah auf meine Karten, aber statt der typischen Figuren blickte ich in Spiegel, die meine verschiedenen Persönlichkeiten widerspiegelten, die sich dann aber eine nach der anderen verflüchtigten, bis nur noch die Gesichter von Juanito und der neuen Nummer Drei zu erkennen waren.
»Wir warten auf deinen Einsatz, mein Junge«, sagte der Alte zu mir, und im selben Moment spürte ich, dass mir gleich aufgehen würde, wie ich die Partie gewinnen konnte, der Gedanke drängte aus meinen tiefsten Inneren nach oben, doch gerade als er die Schwelle zu meinem Bewusstsein überschreiten wollte, fiel mein Blick auf die schemenhaften Gestalten, es waren vierzehn, das konnte nicht sein, vierzehn, ich zählte noch einmal, und da waren es fünfzehn, und der Letzte hatte das Gesicht der alten Nummer Drei … und in dem Moment war ich aus dem Schlaf aufgeschreckt.
Der Trick mit Yolandas Geruch an meinen Fingern funktioniert leider nicht mehr, und so stehe ich auf und verlasse ihre Hütte. Die Sonne brennt vom Himmel herab, während ich mich auf die Suche nach den Kindern mache; ich weiß, es ist egoistisch von mir, aber in ihrer Gesellschaft höre ich vielleicht auf, mir mögliche Feinde und potentielle Angreifer aufzuzählen. Denn jetzt ist klar, dass ich dran glauben muss. Möglicherweise sind Beltrán oder Tony auch gefährdet, aber das gut geeichte Zielfernrohr deutet eindeutig auf mich. Und auch wenn ich noch nicht weiß, welcher meiner geliebten Feinde mich hinrichten wird, besteht in einem kein Zweifel: Hinter der ganzen Geschichte steckt die FIRMA, wer auch immer das sein mag.
Was ich jedoch nach wie vor nicht verstehe, ist, warum man mich umbringen will.
Meine Kinder sitzen am Pool, und ausnahmsweise scheinen sie sich nicht in den Haaren zu liegen, nein, sie unterhalten sich. Als sie mich erblicken, verstummen sie augenblicklich. Wir reden über Banalitäten, damit sie sich nicht ertappt fühlen; ich weiß, es ging um mich, auch wenn ich schwören könnte, dass Antonio nicht vom Vorfall in der Dusche erzählt hat und Leti nichts von unserem vertraulichen Gespräch über ihr geplantes erstes Mal. Sie haben über mich geredet, aber sicher ging es dabei weniger um die Veränderung ihres Vaters, als darum, wie sehr es sie überrascht hat, dass Juanito letztlich doch kein Niemand ist, wie das ihre Mutter immer behauptet hat, und dass sie diese Entdeckung freut. Wir stürzen uns alle drei ins Wasser, und in
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