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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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ankommt, als dass ich vor der einzigen Frage davongelaufen bin, die ich nicht zu beantworten wage:
    Wer bin ich wirklich?
    Bin ich der eiskalte Profikiller, der beste Lehrling der ehemaligen Nummer Drei?
    Bin ich Juanito Pérez Pérez, der davon träumt, dass sein Vater ihn auch dieses Mal aus dem gefährlichen Strudel rettet, der ihn in die Tiefe zu ziehen droht?
    Bin ich ein Enddreißiger, der sich blauäugig in Yolanda verliebt hat, weil er wie jeder x-beliebige Mann in der Midlifecrisis unbewusst darauf setzt, dass ihr junger Körper ihm eine Courage verleiht, die ihm immer gefehlt hat?
    Bei diesem sintflutartigen Sommerregen, der die ganze Küste unter Wasser setzen oder genauso gut in fünf Minuten wieder aufhören kann, ist es wirklich schwer zu entscheiden, wer ich bin. Zum Glück kommt mir der Geist der ehemaligen Nummer Drei zu Hilfe und flüstert mir eine für ihn typische Antwort ins Ohr.
    »Ich bin ein Typ, der jetzt unbedingt einen Drink braucht«, wiederhole ich laut und vernehmlich und steige dann aus dem Wagen, indem ich alle Vorsichtsmaßnahmen und Strategien zurücklasse, die mich aus einer perfekten Falle retten könnten.
    Dem Regen völlig ausgeliefert, überquere ich beherzt die Straße und begebe mich direkt in die Höhle des Löwen.
    Zwanzig Minuten und zwei Drinks sind genug Zeit und Alkohol, um etliche Gespenster zu verscheuchen und der Gefahr ins Auge sehen zu können. Auf seine Art war mein alter Mentor ein echt weiser Mann, und ich werde seinen Rat befolgen: Als Erstes werde ich mit Köpfchen vorgehen, wenn das nicht genügt, die Fäuste benutzen, und erst wenn das nicht hilft, die Eier.
    Ja, er war ein weiser Mann, die frühere Nummer Drei.
    Hätte ich ihn doch bloß nicht umgebracht.
    Fakt ist jedenfalls, dass die Verabredung mit dem Richter eine 39 A sein könnte, wie sie im Buche steht. Es könnte aber auch durchaus sein, dass er den Ex seiner neuen Freundin nur besser kennenlernen will, da wir uns offensichtlich sympathisch sind, wie die ersten Gespräche gezeigt haben. Allerdings hat er gesagt, es sei wirklich wichtig , was fast so geklungen hat, als sei es ernst . Aber vielleicht hat er sich ja dazu entschlossen, Leticia einen Antrag zu machen. Und das ist natürlich wirklich ernst, äh, ich meine, wichtig.
    Fakt ist auch, dass die FIRMA, wenn es sich wirklich um eine Falle handelt, für mich sicher eine weniger offenkundige Methode als die 39 A gewählt hätte. Wir warnen einen »Kunden« nie vor – ein Hirsch hat schließlich ein Geweih, und wenn man ihn in die Enge treibt, kann er damit auf einen losgehen und aufspießen. Und ich bin nicht bloß ein gewöhnlicher Hirsch. Und das wissen sie auch.
    Um mich wirklich umzubringen, bräuchten sie zudem nicht so viele Killer, sage ich mir, während ich den dritten Bourbon Four Roses mit zwei Eiswürfeln bestelle, auch wenn mir dieses starke Aufgebot natürlich schmeichelt. Nein … Das Ganze sieht eher nach einem Katz-und-Maus-Spiel aus, in dem es um mehr geht als um mein Leben. Doch allein darum geht’s. Oder etwa nicht?
    Fakt ist außerdem, dass die Bedienung aus Versehen das T-Shirt ihrer zwölfjährigen Schwester angezogen hat, und logischerweise hat ihr der BH der Kleinen nicht gepasst, weshalb der dünne Stoff ihre festen Brüste kaum bändigen kann. Die Wirkung ist nicht übel, aber Yolanda würde es besser stehen, Yolanda … Yolanda im Regen, wie sie nackt unter mir liegt, der ich sie vor allen Sommergewittern beschütze; Yolandas verliebte Blicke und ihr lustvolles Stöhnen, was man nicht bis zu diesem Extrem simulieren kann; Yolandas Pupillen, in denen sich allerdings hin und wieder ein Anflug von Bedrücktheit zeigt, seit ich an sie zu glauben begann – was so viel heißt, wie sie zu lieben – und lieber das Relief ihrer Brustwarzen studierte statt all die Ungereimtheiten zu analysieren.
    Und … Und last, not least bin ich inzwischen einigermaßen beschwipst.
    Aber auch deutlich ruhiger.
    Es wäre einfach zu plump, ausgerechnet mich in eine 39 A zu locken, sodass das Treffen mit Beltrán vielleicht doch nur das ist, was es scheint: Er braucht meinen Rat, weil er sich vor Leticias Reaktion fürchtet, wenn er vom heldenhaften Richter zum normalen Ehemann mutiert. Und das Auto, das mir vom Campingplatz gefolgt ist, gehört bestimmt FKKlern, die nach dem Urlaub in ihren bekleideten Alltag zurückkehren; das Autokennzeichen meiner Ex war ein Tippfehler der Verwaltung; Nummer Dreizehn hat sich mit dem Gift der

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