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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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nichtexistenten Spinne versehentlich selbst geritzt, weil er stockbesoffen war; Tonys Auftauchen ist purer Zufall; und die wütend ausgestoßenen Rauchschwaden von Sofía zeugen nur vom Riesenfrust einer miesen kleinen Nutte, deren Brüste dank Skalpell zu großen Ballonen geworden waren. Ja, ganz bestimmt lässt sich alles so erklären.
    Wohlgelaunt trinke ich mein Glas aus und bestelle gleich noch einen Drink. In wenigen Minuten wird Gaspar Beltrán das The End betreten, leicht verlegen, weil er mich, seinen Vorgänger, zurate ziehen muss, um seine Zukünftige besser zu verstehen. Ich werde ihn beruhigen, ein paar Gläser mit ihm kippen, und dann werden wir in Schlangenlinien zum Campingplatz zurückfahren.
    Außerdem hat Beltrán nicht die Nummer meines Messer-Handys. Und das von Juanito habe ich im Zelt liegen lassen. Folglich kann er mich nicht anrufen, um unser Treffen abzusagen und mich so dem Regen und meinen Henkern auszuliefern. Ich bin wirklich ein Idiot gewesen. Dieser Beruf geht mir allmählich echt an die Nieren. Zum Glück habe ich beschlossen, auszusteigen. Auch wenn ich noch nicht weiß, wie. Vielleicht rede ich irgendwann mal mit Beltrán darüber. Ich weiß nicht viel über die FIRMA, aber doch genug, damit ein cleverer und wackerer Star-Richter seinen beruflichen Abgang mit einer brillanten Operation krönen kann, bei der die Kronzeugenregelung greift. Ja, genau so werde ich es machen … wenn Beltrán seinen größten Erfolg allerdings auf dem Silbertablett serviert bekommen will, dann aber nur unter einer Bedingung: dass er seine Großrazzia »Operation Pirat« nennt.
    Siegesgewiss lächelnd will ich diese großartige Idee gerade mit meinem Bourbon begießen, als sich die Bedienung zu mir über den Tresen beugt. Ihre Brüste sind wie zwei saftige, goldene Pfirsiche, ich will schon dankend ablehnen, stammeln, ich hätte bereits während der Siesta genascht, sie solle sie lieber für jemanden aufheben, der keine Yolanda hat, da fragt sie mich, ob ich Juan Pérez Pérez heiße, und reicht mir, kaum habe ich genickt, das schnurlose Telefon.
    Aus dem Hörer dringt Gaspar Beltráns Stimme, es tue ihm leid, dass er mir absagen müsse, aber durch eine kleine Unachtsamkeit sei er auf halber Strecke von der Fahrbahn abgekommen und ein Abschleppwagen versuche gerade, seinen Wagen aus dem Schlamm zu ziehen. Die Panne ist ihm anscheinend ziemlich peinlich; inständig bittet er mich darum, Leticia nichts davon zu erzählen, und nachdem ich ihm zugesichert habe, kein Wort darüber zu verlieren, verabschieden wir uns, und ich lege auf.
    Entschlossen stehe ich auf, zahle und drücke der Besitzerin der goldenen Pfirsiche zum Abschied noch ein beachtliches Trinkgeld in die Hand.
    Draußen hat es aufgehört zu regnen, die gewittrige Schwüle deutet jedoch darauf hin, dass ein letzter Wolkenbruch unmittelbar bevorsteht, dessen Prasseln die Geräusche des bevorstehenden Showdowns überdecken wird. Anstatt zu meinem Wagen zu eilen, wie das jeder normale Mensch bei so einem Wetter tun würde, marschiere ich nach links Richtung Straßenecke. Zwar werden sie dort einen Kollegen postiert haben, der mir den Fluchtweg abschneiden soll, er dient aber normalerweise bloß zur Einschüchterung und ist meistens nicht ganz so gefährlich, sodass ich, wenn ich schnell genug bin, vielleicht die belebte Hauptstraße erreiche, bevor meine Mörder mich einholen.
    Kaum bin ich ein paar Schritte gegangen, sehe ich ihn auch schon, in einen gelben Regenmantel mit Kapuze gehüllt. Seiner Statur nach zu schließen, könnte ich ihn relativ schnell überwältigen und meinem Mörder dann im Schein der Straßenlaternen die Stirn bieten, vielleicht könnte ich dem Tod sogar noch einmal kurzfristig entkommen – der Bourbon und meine unbändige Wut sind jedoch eindeutig stärker als das jahrelange Training, und ich will ein für alle Mal den Grund für das Ganze wissen, selbst wenn ich dabei draufgehe.
    Und so mache ich auf dem Absatz kehrt, marschiere zurück in die Gasse, direkt auf die Wahrheit zu. Es gibt keinen anderen Ausweg mehr, als mich direkt in die Höhle des Löwen zu begeben, damit er mir sein wahres Gesicht zeigt, bevor er mich endgültig verschlingt – oder ich ihn bezwinge. Kurzum: Ich will endlich wissen, wer von all meinen neuen und alten Freunden den Auftrag hat, mich umzubringen.
    Da löst sich aus dem Schatten eines schwarzen Kastenwagens eine breitschultrige Gestalt und stürzt sich mit geballten Fäusten und einem Schrei

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