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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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es definitiv nicht um eine 39 A geht, sondern um etwas, das in keinem Handbuch für Profikiller steht. Denn Profikiller weinen nicht, und das in Arreguis schon blutunterlaufenen Augen sind auch keine Regentropfen, und der Name, den er mit seinen aufgeplatzten Lippen unablässig stöhnt, ist der Name einer Frau, einer Frau, die wir beide sehr geliebt haben: Claudia.
    Und deshalb nutze ich eine kurze Atempause des Kommissars, der wie ich am Ende seiner Kräfte ist, nicht dazu, ihn k. o. zu schlagen, sondern ihn wie ein müder Boxer in einem Clinch zu umklammern, damit er ihren Namen noch ein letztes Mal wütend stammeln und ich, völlig erschöpft und mit Blut im Mund, japsen kann:
    »Ich hatte … nichts … mit ihrem Tod … zu tun, Txema.«
    Da hält er endlich inne.
    »Echt nicht?«
    Alles ist so absurd, jetzt, da der gelbe Regenmantel plötzlich verschwunden ist und dieses animalische Kräftemessen eine Erklärung hat, die nur zwei irrsinnigen Männern verständlich ist, dass ich meine linke Hand hebe und so wie als kleiner Junge meinen gekreuzten Zeigefinger küsse.
    »Ich … schwöre … es … bei … meinen … Kindern!«
    Und dann schnappen wir nur noch nach Luft in dieser Umarmung zweier Bäume, die den Wirbelsturm überlebt haben, aber schon beim nächsten Windstoß zu fallen fürchten, bis Kommissar Arregui auf den Boden spuckt und sagt:
    »Jetzt brauchen wir einen Drink. Ich gebe einen aus.«
    Die Bedienung mit den goldenen Pfirsichbrüsten erschrickt bei unserem Anblick und will schon hilfesuchend zum Telefon stürzen, aber Arregui kann mit großer Anstrengung gerade noch rechtzeitig seine Dienstmarke ziehen. Nachdem wir uns stöhnend an den Tresen gesetzt haben, bestellen wir gleichzeitig zwei Bourbon Four Roses und verziehen unsere geschwollenen Gesichter zu einem mühevollen Grinsen angesichts dieses Zufalls, auch wenn ich natürlich längst wusste, dass Arreguis Lieblingsdrink derselbe ist wie meiner. Es stand in den Observierungsprotokollen, die ich zu meiner Absicherung schrieb, und auch in denen des von mir engagierten Privatdetektivs, es war eine dieser Informationen aus einem anderen Leben, einem Leben, in dem Claudia ihn verlassen hatte, weil er sich weigerte, seinen Polizistenjob aufzugeben, einem Leben, in dem ich ihr den Hof machte, um mehr über ihn herauszufinden.
    »Den gut situierten Pharmavertreter-Softie nehm ich dir jedenfalls nicht ab«, brummt er schließlich nach ein paar Schlucken.
    »Und ich dir nicht den braven Polizeibeamten.«
    Meine Juanito-Maske habe ich draußen in der Sackgasse gelassen. Sie nützt mir heute Nacht nichts mehr. Mein Gesicht mag eine einzige Ansammlung von blauen Flecken sein, aber es ist wenigstens mein eigenes.
    Der Kommissar hebt nun sein Glas, und wir stoßen an. Unsere Dummejungenrauferei ist uns beiden ein wenig peinlich.
    »Warum?«, frage ich.
    »Weil ich es endlich wissen wollte, Juan. Weil ich herausbekommen wollte, wer du wirklich bist. Und weil du vor Claudias Tod mit ihr zusammen warst, und ich dachte, du …«
    »Stell dir vor, ich könnte dir nur eine dieser Fragen beantworten. Für welche würdest du dich entscheiden?«
    »Für Claudia. Ich würde mich für Claudia entscheiden.«
    »Mir tat ihr Tod auch weh, Txema, sehr weh. Aber ich hatte nichts damit zu tun. Du weißt genug darüber, um einen geplanten Mord von einem idiotischen Raubüberfall zweier Junkies unterscheiden zu können, die auf Turkey sind. Bestimmt hat Claudia sich gewehrt …«
    »Garantiert. Sie hat sich nie etwas gefallen lassen …«
    Ich nicke und erhebe das Glas, um einen stummen Toast auf sie auszusprechen, und er tut es mir gleich. Jetzt bin ich mir ganz sicher, dass er nichts mit der FIRMA zu tun hat, dass er mir nur gefolgt ist, um eine Wahrheit aus mir herauszuprügeln, die ich ihm jedoch nicht sagen kann.
    Aus den Gesprächsprotokollen des Psychologen, den Arregui nach dem Tod seiner Freundin ein halbes Jahr lang aufgesucht hat (so viel Trara um das Berufsgeheimnis und dann hat so eine Praxis nicht einmal eine Alarmanlage), geht klar hervor, dass er sich an Claudias Tod schuldig fühlt, weil er an jenem Tag nicht bei ihr war, weil er nicht eher zu ihr gegangen war, um ihr zu sagen, dass er seinen Job an den Nagel hängen würde, wie sie es verlangt hatte. Und das kann ich gut nachvollziehen. Nur dass ich meine Schuldgefühle bisher verdrängt habe, auch wenn ich ebenso wenig schuld war an ihrem Tod, der das Leben von uns beiden von Grund auf verändert

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