Wir toeten nicht jeden
leisten.
Er empfängt mich, als hätte er mich erwartet, und nachdem er uns zwei Bourbon Four Roses eingeschenkt hat, hört er sich schweigend die Zusammenfassung meiner Aktivitäten und meines Plans an. Es ist eine unvollständige Zusammenfassung, aber nach so vielen Jahren, in denen ich nie eine Wahrheit in den Mund genommen habe, sind ein paar Halbwahrheiten gar nicht mal so schlecht.
Nachdenklich sieht er mich danach an.
»Das Wichtigste sind jetzt die Kinder. Wenn du weißt, wo sie sie festhalten, könnte ich die Kollegen …«
»Nein, Txema. Sie haben meine Kinder in ihrer Gewalt. Ein Haufen Bullen, die sich zu viele Actionfilme reingezogen haben und wie eine SWAT-Spezialeinheit bis an die Zähne bewaffnet sind, wäre das Letzte.«
Kurz überlegt er und trinkt dann noch einen Schluck.
»Okay. Aber dann gehe ich mit dir.«
»Nein, Txema, da muss ich allein durch. Aus irgendeinem Grund brauchen sie mich lebend, sonst hätten sie mich schon längst kaltgemacht. Das verschafft mir einen winzigen Vorteil, und mehr brauche ich nicht. Du wärst mir nützlicher, wenn du die Kinder danach mit Leticia zu Beltrán bringst und bei ihnen bleibst.«
»Ja, aber …«
»Der Showdown ist um Mitternacht. Wenn die Kinder um halb eins noch nicht hier sind, ist die Sache schiefgegangen. Dann hast du freie Hand.«
»Einverstanden. Vermutlich würde ich mich genauso verhalten, wenn es um meine Kinder ginge. Wenn ich denn welche gehabt hätte …«
Fast gleichzeitig setzen wir die Gläser zum Trinken an und nippen, Auslassungspunkte in einem Gespräch, in dem noch nicht alles gesagt ist.
»Wenn dein Plan funktioniert … Ich weiß nicht, ob ich dann einen Deal mit dir machen kann, Juan.«
»Das erwarte ich auch nicht, Txema. Wenn meine Familie erst einmal in Sicherheit ist, gib mir vierundzwanzig, nein, besser achtundvierzig Stunden, für den Fall, dass sie mich beschatten. So lange brauche ich, um sie abzuhängen und mir das zu holen, hinter dem sie her sind. Sobald ich es Beltrán ausgehändigt habe, kannst du mit mir machen, was du willst, Kommissar Arregui.«
»Die Rolle des Märtyrers passt nicht zu dir, Juan. Rette deine Kinder und nutz die achtundvierzig Stunden, um deine Theorie zu überprüfen und zu verschwinden. Wenn du nach dieser Frist noch in Spanien bist, muss ich Jagd auf dich machen.«
Wir sehen uns sieben Herzschläge lang in die Augen.
»Warum?«, frage ich ihn dann, obwohl ich die Antwort längst kenne.
»Wegen Claudia … Und weil ich die Schnauze voll davon habe, zu entscheiden, wer die Guten und wer die Bösen sind, und weil die Bosse deiner FIRMA womöglich für meine Chefs arbeiten oder umgekehrt. Eines schönen Tages schmeiße ich den ganzen Bettel hin und mache ein Detektivbüro auf. Seitensprünge aufzudecken ist sicher nicht so kompliziert …«
Schweigend trinken wir noch einen Schluck, denn es gibt nichts mehr zu sagen.
»Bis Mitternacht bleiben dir noch fast zwei Stunden, Juan. Willst du dich eine Weile hinlegen?«
Ich stehe auf, strecke ihm die Hand hin, und zu meiner Überraschung drückt er sie fest.
»Danke, Txema, aber ich habe vorher noch etwas zu erledigen. Ich muss mich von einem Traum verabschieden.«
Kaum ist die Tür auf, wirft sie sich mir in die Arme. Ihre Erleichterung kann unmöglich gespielt sein. Selbst wenn das andere es vielleicht doch ist. Sie ist nackt wie an jenem ersten Abend am Strand, aber sie sieht mich genauso an wie am Morgen danach in meinem Zelt: Sie will mehr, obwohl sie weiß, dass das nicht geht. Sie hört nicht auf, mich zu küssen, und ich frage mich, ob sie das tut, um meine Zweifel in Wollust zu ertränken oder um die Zeit anzuhalten. Ich gehe darauf ein, obwohl es in dieser Situation absurd ist. Aber etwas anderes kann ich in den nächsten zwei Stunden sowieso nicht tun. Und ich will auch nichts anderes, als mich auf Yolanda einlassen, auf ihren geheimnisvollen Körper, während ihre anderen Geheimnisse, welche auch immer das sein mögen, sich verschämt in eine Ecke der Hütte verkriechen und uns den Rücken kehren, im Spiegel spionieren, wie wir miteinander verschmelzen und eins werden ohne jegliche Falschheit.
Ich verzichte diesmal bewusst auf die während des Trainings erlernten Tricks, ich will sie ganz bewusst spüren, mir ihren Geruch und ihr Stöhnen mit der vollkommenen Unvollkommenheit eines Verliebten einprägen, der ahnt, dass es das letzte Mal sein wird.
Als wir danach wieder zu Atem kommen, will sie mir etwas sagen, aber
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