Wir tun es für Geld
vollgeschrieben, die ich mir kaufen soll. Das übersteigt mein Budget, und ich muss jetzt auch wirklich nach Hause, meine Frau wartet mit dem Essen. Bitte, bitte, lassen Sie mich gehen!«
* * *
Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens müsste das dicke für eine Kündigung reichen, zweitens hat es Spaß gemacht. Ich lache dreckig vor mich hin, während ich die Haustür aufschließe.
An Vanessas Wohnung im ersten Stock husche ich heute schnell vorbei. Sonst gehe ich ja immer ganz langsam, versuche Vanessa-Moleküle in der Luft zu erschnüffeln, die Strahlung ihrer Anwesenheit aufzunehmen und summe dabei On The Street Where You Live vor mich hin, aber heute ist alles anders.
Ob das Schlafanzughosenherz noch auf unserem Bett liegt? Hihi, unserem Bett. Nein, ich finde, das muss klargehen. Vanessa hat sich in den ganzen Jahren so viel erlaubt. Jetzt darf ich auch mal. Der Großangriff fies knisternder Vorwurfswellen, der aus ihrem Eingang zu kommen scheint und hinter mir her die Treppe hochjagt, ist völlig überzogen. Schnell weiter.
Oben angekommen höre ich Töne durch unsere Tür. My Romance. Ben Webster lässt sein Saxophon aufseufzen, dass man in die Knie gehen möchte.
Ines hört freiwillig Jazz.
Ich bleibe stehen und mache die Augen zu.
My romance
doesn’t have to have a moon in the sky
My romance
doesn’t need a blue lagoon standing by…
Das ist für mich! Sie hat gespürt, dass ich jetzt komme.
… Wide awake
I can make my most fantastic dreams come true
My romance
doesn’t need a thing but you!
Tür auf. Hier bin ich!
»Hallo, mein Lichtblick… Oh, Ekkehart. Äh, schön, dich mal wieder zu sehen.«
»Pst, wir hören gerade die neue Anlage Probe.«
Oh.
Sie haben es wirklich getan. Neben unserer alten Anlage steht ein neuer Hifi-Altar, flankiert von zwei Edel-Boxen auf schwarzen Ständern. Alles nicht annähernd so beeindruckend wie das, was Ekkehart in seiner Wohnung hat, aber man sieht sofort, dass es trotzdem sehr, sehr, sehr viel Geld gekostet haben muss.
Ines und er sitzen andächtig auf dem Sofa und hören. Sie hat sich nur einmal kurz umgedreht und mir zugenickt. Gut. Eine Anschaffung dieser Größenordnung bindet natürlich schon ein wenig die Aufmerksamkeit. Da muss ich jetzt nicht gleich enttäuscht sein. Ich ziehe meinen Mantel aus, gucke die Post durch und setze mich auch dazu.
Kaum zu glauben. Der Steuerbeamte, von dem wir genau wissen, dass er eines Tages unser Verderben sein kann, sitzt in unserer Wohnung, und Ines’ Augen leuchten.
»Wahnsinn, Ekkehart! So habe ich diese Musik noch nie gehört.«
»Nicht wahr? Viel wärmer, viel transparentere Höhen und die Mitten gut akzentuiert, das Saxophon klingt richtig räumlich. Viel mehr kann man aus so einer Platte kaum rausholen. Was meinst du, Lukas?«
»Ben Webster wird sowieso viel zu wenig gehört.«
»Guck mal: Clearaudio Performance-Plattenspieler, Trigon-Vorverstärker, Trigon-Endstufen und Canton-Boxen, alles mit hochwertigen Kabeln, die sogar dann noch ausreichen, wenn man später eine Klasse höher investiert. Und jetzt rate mal, was für einen Preis ich bekommen habe?«
»Hm, weiß nicht.«
»6345 Euro!«
Die Zahl platzt aus ihm heraus, als hätte er gerade ein altes Fahrrad für einen Picasso eingetauscht. Ich muss was sagen.
»Nicht zu fassen.«
»Gell?«
»Jetzt lass uns doch mal eine von deinen audiophilen Kostbarkeiten hören, von denen du immer sprichst, Ekkehart. Du hast doch nichts dagegen, oder, Liebling?«
»Ah, nein, Schatz, natürlich nicht.«
»Bin sofort zurück.«
Ekkehart ist schneller verschwunden, als man piff sagen kann. Na, das hat ja gut geklappt. Ich lege meine Hand auf Ines’ Wange und lächele sie an. Sie zögert kurz, nimmt sie, drückt sie und schiebt sie dann weg.
»Was ist?«
»Sooo, da bin ich wieder. Hier, Anatol Kolumbanovich spielt in der Kathedrale von Amiens. Das ist wirklich eine Herausforderung für eine Hifi-Anlage. Ich bin schon ganz gespannt.«
Ekkehart holt die Platte so vorsichtig aus ihrer Hülle, als wäre sie aus getrockneten Schmetterlingsflügeln gepresst. Wie in Zeitlupe stülpt er sie über den Pin in der Mitte des Plattentellers und beginnt das Reinigungsritual. Ich sehe Ines noch mal an. Sie schielt nach Ekkehart und hält mir ihre Handflächen entgegen. Abwarten.
Ich verdrücke mich unauffällig in ihr Schlafzimmer. Ja, das Schlafanzughosenherz liegt noch so da wie heute Morgen. Oder ist das gar kein Herz? Man sieht ja immer nur das, was
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