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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Ich sehe wieder die zum Herz geformte Schlafanzughose vor mir auf dem Bett liegen. Die Beine, die sich am Tiefpunkt der spitzen Senke des Herzens berühren, lösen sich langsam voneinander. Ich starre den Sofatisch an.
    »Aber wenn du das so siehst, dann darf Ekkehart doch wirklich auf keinen Fall mehr kommen.«
    »Ja.« Sie starrt weiter die Wand an und schüttelt dabei langsam den Kopf. »Ich will nur noch einmal meinen neuen Plattenspieler über seine Anlage hören.«
    Verflixt, sie wird sachlich. Nein, ich habe damit angefangen. Kann man da noch was machen?
    »Pass bloß auf, ich habe nur Schlechtes über diese Hifi-Nerds gehört. Die machen dich süchtig. Mit 6345 Euro fängt es an. Dann hörst du eine noch tollere Anlage und willst die haben und so weiter. Und am Ende gibst du sechsstellige Summen aus, verschuldest dich, sonderst dich von deinem sozialen Umfeld ab und lebst nur noch in deiner Hör-Welt.«
    Nein, jetzt kann man wirklich nichts mehr machen.
    »Ich habs im Griff. Ich will nur einmal meinen neuen Plattenspieler mit Ekkeharts High-End-Anlage hören, dann ist Schluss.«
    »Das kannst du auch einfacher haben. Trag den Plattenspieler nach unten.«
    »Das geht nicht. Wir wollen den Klang mit der alten Anlage vergleichen, und zwei Räume können völlig unterschiedlich klingen, hat Ekkehart gesagt.«
    Jetzt verberge auch ich kurz mein Gesicht hinter den Händen.
    »Ich habe den Eindruck, das interessiert dich alles nicht, Lukas.«
    Genau so ist es. Ich deute auf Ekkeharts Jazzplattensammlung.
    »Hör zu, ich mag Musik…«
    »Musik, die keiner versteht.«
    »… und du und Ekkehart, ihr interessiert euch nur für Klang.«
    »Na hör mal, Anatol Kolumbanovich in der Kathedrale von Amiens, war das vielleicht keine Musik?«
    »Nein, sondern«, ich weiß, dass ich das jetzt nicht sagen sollte, »uninspiriertes, beliebiges, blutleeres, auf vordergründige Effekte bedachtes Gedaddel. Das hier ist Musik.«
    Ich nehme die Ben-Webster-Platte und lege noch einmal My Romance auf.
    »Nimm den Tonarmlift!«
    »Tschuldigung.«

Bollini
     
    Es ist zwar noch lange nicht warm genug, um draußen zu sitzen, aber drinnen im Café knallt die Sonne durch die große Scheibe, die Wärme staut sich, wir tragen T-Shirts und Sonnenbrillen. Das Bollini ist zwar schon seit längerem nicht mehr mein Favorit, aber Vanessa kennt da keine Diskussion. Keine Ahnung, warum sie sich so gerne inmitten der gehobenen Großstadt-Boheme aufhält. Ich fühle mich zwischen den jungen Männern mit den weißen Hemden und modisch zerknitterten Jacketts immer fehl am Platz, und es wäre mir wirklich sehr peinlich, hier jemandem zu begegnen, dem ich schon einmal Unterhosen verkauft habe.
    »Hast du denn schon einen neuen Job in Aussicht?«
    »Ach, da findet sich schon was, Lulu. Wie immer, hihi.«
    »Frag doch mal Viktor. Vielleicht geht was beim Theater? Die haben ja auch eine große Verwaltung.«
    »Mhm, mach ich mal.«
    Sie nimmt einen großen Schluck Milchkaffee und leckt sich den Schaum von den Lippen. Der Glanz, den ihre Zunge zurücklässt, wird zum Spielplatz für Sonnenstrahlen. Ich sehe sie an. Sie trägt ihr Haar heute wie eine brünette Ausgabe von Brigitte Bardot. Haltung und Bewegungen passen sich perfekt an. Sogar ihre Lippen wirken breiter als sonst, oder ergänze ich das nur in meinem Kopf? Unentwegt kommen Männerblicke durch mich hindurch zu ihr herangekrochen. Ja, sie ist schön, zum hundertsten Mal. Nur ich bin heute anders.
    Sie nimmt, wie so oft, jeden zweiten Satz zum Anlass, mit ihrer Hand auf meinem Oberschenkel herumzutasten. Eigentlich bin ich das gewohnt, aber heute kommt mir ihre Hand fremd vor. Als wäre ich eine Wand und eine Hand würde auf mir herumtapsen, um den Lichtschalter zu finden.
    »Du siehst blass aus, Lulu. Du arbeitest zu viel. Diese Klimaanlagenluft im Kaufhaus macht auch ganz spröde Haut.«
    Einmal mehr streicht sie mir über den Oberschenkel, als wollte sie diesem Allerweltssatz größten Nachdruck verleihen. Sie könnte auch meinen Arm berühren oder die Schulter, aber das tut sie fast nie.
    »Weißt du was? Vielleicht sollte ich dir auch mal den Rücken massieren.«
    Gerade war sie noch bei spröder Haut. Ja, sie sucht tatsächlich nach Schaltern. Heute bin ich bereit, es zu bemerken.
    »Mir hat das so gutgetan neulich, seufz. Ich wollte es dir ja eigentlich nicht sagen, aber ich hatte – ich hoffe, du bist mir nicht böse – was mit dem DJ von Xavier Naidoo. Den hatte ich damals bei dem Konzert, wo

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