Wir tun es für Geld
sie will mir immer erzählen, was zwischen mir und Vanessa alles nicht stimmt. Sie liebt Bernd nicht. Sie war mit ihm zusammen, weil ich sie gekränkt habe, und sie ist mit ihm zusammen, weil ich sie schon wieder gekränkt habe. Und die beiden halten es nur miteinander aus, weil sie diese verkappte Fernbeziehung führen. Nur, es hat mich noch nie so traurig gemacht wie in diesem Moment. Wäre doch Ekkehart nur ein gutaussehender, charmanter, reicher Hifi-Geschäft-Besitzer und Katzenliebhaber… Hm, das bringt mich auf eine Idee.
Bernd ist wieder hochgekommen, der Palm blieb heil, die Termine auch. Ich drehe mich wieder zur anderen Seite. So, Vani, jetzt aber genug gejuant. Sie winkt schon wieder, macht aber immer noch keine Anstalten aufzustehen. Frech. Was Ekkehart in puncto Selbständigkeit ist, ist sie in puncto Höflichkeit. Muss ich auch mal mit ihr üben. Ich gehe jetzt.
* * *
Ich bin natürlich nicht gegangen. Konnte ich wieder nicht. Ist das zu fassen? Woher hat sie diese Kräfte?
Wenigstens ist sie jetzt endlich aufgestanden und kommt zu mir, was Juan die Gelegenheit gibt, ihren Po anzustarren. Ich winke ihr zu und merke erst jetzt, dass ich, schon seit ich hier bin, mit einer Hand das kalte verchromte Rohr, das um den Tresen herumläuft, umklammert halte.
Kurze Umarmung mit kleinen Küsschen. Ich spüre die Blicke des Barmanns in meinem Rücken, weiß aber nicht, ob er mich beneidet oder ob er mich für einen Trottel hält. Im Moment weiß ich nicht mal selbst, ob ich mich für beneidenswert oder für einen Trottel halten soll.
* * *
Vanessas Bett ist viel weicher als meins. Deswegen frage ich mich, warum es mir auf einmal so hart vorkommt. Ich liege, den Kopf an das große Kissen gelehnt, auf dem Rücken, summe ungefähr zum dreißigsten Mal The Touch of Your Lips und bin mir immer noch nicht sicher, wie ich mich fühle. Zeitentrückt? Melancholisch verklärt? Vital-Kompakt? Und, unwichtiges Detail, aber warum habe ich eigentlich nie Angst, dass Ekkehart zufällig mitkriegt, wie ich Vanessas Tür aufschließe?
Seit Tagen will ich nichts lieber, als dass die Zeit stehen bleibt. Und ich habe wirklich alles dafür getan. Ich habe nicht mehr auf die Uhr und nicht mehr auf den Kalender geschaut, ich habe nichts gemacht, außer Vanessa und meinem männlichen Instinkt zu gehorchen und die paar Sachen, die unbedingt erledigt werden müssen, zu erledigen. Ich habe das Glück angehalten. Ich habe es wenigstens versucht.
Eben wusste ich noch nicht, wie lange ich hier schon liege. Jetzt beginne ich allmählich zu fühlen, dass es sehr lange ist. Ich gieße mir noch einen Schluck Rotwein ein. Sie wird nicht kommen. Ich werde schlafen.
Vanessa hat mich irgendwann gnädig aus dem Bollini entlassen. Ein Wink reichte aus, und der Bann war gelöst. Beim Rausgehen hielt sie mich kurz fest und flüsterte, sie komme gleich nach und ich solle schon die Flasche aufmachen und das Bett wärmen. Juan saß dabei und wurde von unsichtbaren Fesseln in seinem Stuhl gehalten. Ob er sich über seine Situation im Klaren war?
Eigenartig. Mich interessiert nicht, wo Vanessa ist. Ich müsste rasend eifersüchtig sein, aber ich bin einfach nur müde und werde gleich schlafen. Ich habe nicht einmal mehr genug Kraft, um mich auszuziehen. Und, sehr komisch, mein Instinkt brummt gelassen »Schlaf nur, deine Mission ist erfüllt«.
* * *
»Tschuldige, Lukas, aber Juan, hihi, der ist so eifersüchtig auf dich, ich musste einfach mal länger mit dem reden. Sonst gibts noch Ärger, hihi… He, schläfst du schon?«
»Hmpf, fast.«
»Na, ein Glück.«
Der kleine Luftzug, die Kälte, die Vanessa von draußen mitgebracht hat, und die Tatsache, dass nun noch jemand im Raum ist, all das holt mich schnell zurück.
Sie streift im Stehen ihre Stiefel ab und zieht ihre Strümpfe aus. Komisch, sonst ist alles, was sie macht, sexy. Einfach Stiefel ausziehen gibt es normalerweise nicht, sondern es ist nur die Frage, ob es die kleine oder die große Stiefel-Auszieh-Show gibt. Warum hat sie sich dabei nicht wenigstens gesetzt?
Nachdem ihr storchenbeiniger Balanceakt zu Ende ist, sieht sie mich an. Hatte sie gerade den gleichen Gedanken? Oder kann sie meine Gedanken lesen? Kann ich ihre Gedanken lesen? Oh nein, ich dachte, er hat die Augen zu…
Sie macht im gedimmten Deckenfluterlicht barfuß zwei Schritte Richtung Fußende des Betts. Zwei Vanessa-Schritte. Zwei Schritte, die das Stiefel-Desaster sofort
Weitere Kostenlose Bücher